…oder: schlagen Sie jetzt zu, bevor es noch billiger geht!
Ja, ich gebe zu: die obige Überschrift klingt unlogisch. Das ist Sie aber nur im ersten Moment. Es geht nämlich nicht darum etwas zu kaufen, sondern SICH zu verkaufen. Die Rede ist vom Jobmotor Call-Center. Der scheinbar einzigen Branche, die gegenläufig zur desolaten deutschen Wirtschaft immer auf Suche nach Spezialisten ist, die dann allerdings mit Hungerlöhnen und befristeten Arbeitsverträgen abgespeist wird. Es ist erschreckend, mit welch rasender Geschwindigkeit die Einstiegsgehälter (es müsste eigentlich Taschengeld oder Ausbildungsbeihilfe heißen) der Firmen ins Bodenlose stürzen (Alle Zahlen habe ich durch ehemalige Kollegen, durch momentan in der Branche Jobsuchende, und aus eigener trauriger Jobsuch-Erfahrung bekommen)
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bis Ende 2007 waren noch über 2.000,00 Euro zu verdienen
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Ab Ende 2007 zwischen 1.800,00-2.000,00 Euro
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Anfang 2009 ca. 1.600,00 Euro
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Mitte 2009 ca. 1.400,00 Euro
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momentan ca. 1.100,00 Euro
Alle Angaben sind Bruttogehälter, die von den deutschen Call Centern für einen IT-Spezialisten im telefonischen Support (40 Stunden Woche im Schichtdienst und Samstagsarbeit) gezahlt werden. Ja, da sollte man noch schnell mal die Chance nutzen und zugreifen, damit man nicht spätestens im Frühjahr ein Bruttogehalt hat, welches auf oder unter Hartz-IV Niveau liegt.
Glücklicherweise sind bei den Gehältern dann auch Steuern und Sozialabgaben zu vernachlässigen. Da ist dann Brutto gleich Netto. Und zum Arbeitsvertrag wird dann auch gleich der Hartz-IV-Antrag rüber gereicht.
Hat man wieder einen Weg gespart, um sich den Antrag beim Amt abzuholen. Na gut, es wird kaum was in die Rentenkasse eingezahlt. Das macht aber nichts! Denn erstens werden sich solcherlei am Existenzminimum rum krebsende Individuen vorher wahrscheinlich freiwillig von ihrem Leiden erlösen, was das erleben des Rentenalters zumindest fraglich erscheinen lässt (Es gibt übrigens eine Studie über Altersarmut in Deutschland. Dort steht, dass Selbstmord bei älteren Menschen überproportional gestiegen ist. Ein Verdienst unserer Politiker, und deren Sozialpolitik. Vielen Dank dafür! Nun, dafür hat die SPD ja bei der Wahl die Quittung bekommen. Andere “Volks-Parteien” werden ihr auf dem Weg in die Versenkung folgen).
Zum anderen dürfte selbst das auftreiben der vierteljährlichen Praxisgebühr ein finanzieller Kraftakt sein, den einige nicht stemmen können, weil nach Überweisung des “Gehaltes” (ich übernehme mal dieses Wort, obwohl es den Namen nicht verdient hat) und Begleichung von Miete, Telefon, Strom, Gas, GEZ, die Überlegung dahin geht, ob man für das noch vorhandene Geld noch mal bei McDoof eine Juniortüte erbeutet, und sich von deren Inhalt einen Monat ernährt (Übrigens kann man aus der Papiertüte durch den hohen Fettanteil der Pommes noch eine kräftige Suppe kochen) oder sich doch lieber seine lebensverlängernden Medikamente aufschreiben lässt, und dafür den Rest des Monats hungrig ins Bett geht.
Die Sterblichkeit der Arbeitnehmer durch früher harmlose Krankheiten wie Husten, Schnupfen, Heiserkeit, dürfte also demnächst drastisch zunehmen, wenn aus der unbehandelten Mandelentzündung irgendwann eine Herzmuskelschwäche wird, oder der Arbeitnehmer, der auf Blutdrucksenkende Medikamente angewiesen ist, diese sich wegen Geldmangel nicht mehr verschreiben lassen kann. Ja, da lernt man die Darwinsche Theorie auch mal ganz schnell aus der Rolle des Beteiligten kennen. Sozusagen lernen zum anfassen…..
Das wiederum ist ganz im Sinne der Unternehmen. Jeder vorzeitig freiwillig, bzw. unfreiwillig ausscheidende Arbeitssklave macht Platz für einen unverbrauchten Neuen. Und dem neuen “Arbeitnehmer” können Sie dann noch weniger zahlen, weil die Gehälter in der Zeit natürlich noch weiter gefallen sind. Ich mache übrigens freiwillig gerne Platz, und lasse jeden der will vorbei, wenn ich im Weg stehe, falls der Run auf die Jobs losgeht..
Und als wenn die normale Fluktuationsrate der Angestellten durch vorzeitiges ableben, Hungertod oder befristeter Verträge nicht reicht, haben die Unternehmen nun wohl auch das Instrument “Bagatell-Kündigung” perfektioniert. Da werden langjährige, und verdiente Mitarbeiter gekündigt, weil Sie ihr Handy in der Firma aufgeladen haben. Entstandener ‘Schaden’? Grade mal 1 Cent. Oder eine seit 34 Jahren Beschäftigte isst ein Brötchen, was beim Buffet liegen geblieben ist (und was weg geschmissen worden wäre). Realer Verlust? Keiner! Trotzdem Kündigung. Es gab sogar schon eine Kündigung, weil der Chef nicht gegrüßt worden ist! Realer Verlust? Der gesunde Menschenverstand des Chefs! So kommen die Chefs elegant um fünfstellige Abfindungen rum, die eine ‘normale’ Kündigung kosten würde. Lieber einem von Moral befreiten Rechtsverdreher ein paar tausend Euro in den Hintern schieben, einen an der Haaren herbeigezogenen Grund zur Kündigung suchen, und das steuerlich absetzen. Im Gegenzug darfst du aber als Angestellter Überstunden machen, dass es raucht, dein freier Tag kann mal schnell gestrichen werden, weil es Firmenbelange erfordern, deine Arbeitszeit endet, wenn “Chefe” es sagt, und wenn man dir sagt, dass Du mal eben schnell seinen Wagen waschen sollst, dann solltest du besser nicht lange überlegen, und vor allem nicht ‘nein’ sagen – denn dann wackelt dein Stuhl bereits bedenklich…
P.S. Wer glaubt, so wäre es nicht, dem kann ich sagen: DOCH. GENAU SO IST ES!
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, habe ich bei den letzten Arbeitgebern erlebt, was man sich alles aus den Fingern saugt, um unbequeme, unbeugsame und auch zu intelligente Mitarbeiter zu entsorgen.
letzte Änderung: 08.10.2009 08:54 Uhr