..oder: die Liebe im Jahre 2030 ist ‘Multipersonal‘
Deutschland – “Polyamor”.. Ein Begriff, den man unwissenderweise der Gruppe Polymer und Polyester – oder kurzum, einem chemischen Erzeugnis aus dem ‘Kombinat Elaste und Plaste’ zuordnen würde. Doch hier irrt der Leser. Der einzige Kunststoff, der in dieser Geschichte massenhaft vorkommt ist hauchdünnes Latex, welches über bestimmte Körperteile gestülpt wird.
Verwirrt? Nee, muss nicht! Ich fang mal ganz vorne an:
Also, da sitz’ ich doch gestern bei meinem Hausarzt im Wartezimmer, und während ich den kostenlosen Kaffee schlürf und auf mein Rezept warte, blätter ich auch so durch die Illustrierten, und da fällt mir ein Beitrag im Focus ins Auge: Und im Ernst, ich schwör, grosses Doppelschwör..! – Der Bericht machte mir, dem treuesten und monogamstem Menschen dieses Planeten ein bisschen Angst!
Was las ich also, was mir eine Gänsehaut bereitete: „Polyamor ist eine Wortneuschöpfung aus dem griechischen „poly“ (viel) und dem lateinischen „amor“ (Liebe)“. Damit dürfte jetzt dem prüdesten Zeitgenossen klar sein, worum es hier geht: Fremdvögeln – oder um es etwas gepflegter auszudrücken: “offene Vielpartnerei”..
Es scheint sich hier tatsächlich ein Trend dazu abzuzeichnen, denn dem Bericht nach, nehmen die Betreiber solcher laxer Beziehungen zu. Im Jahre 2030 soll diese Beziehungsform gar die Regel sein. Im Beitrag heisst es ungefähr: „Auslöser für diese in früheren Zeiten geächtete Form der Beziehung ist der Wandel der Gesellschaft, die hohen Anforderungen im Job, und der Wunsch nach Abwechslung“. Huui, da sollte man also schön auf seinen Partner achtgeben, wenn er nach einigen Überstunden erschöpft aus dem Büro kommt, und mal checken, ob nicht Lippenstift am Hemdkragen ist. Also ich habe auch immer Stress im Job gehabt. Aber deshalb gleich eine 1:n-Beziehung führen, kam mir nie in den Sinn. Ich bin aber auch sowas von rückständig und antiquiert (wer’s nicht glauben will: Ich habe sogar noch ein Telefon von 1993 im heutigen Einsatz, schäme mich kein bisschen dafür und will auch gar kein anderes)…
Und ich lese erschreckt weiter: „Zu manchen solcher Kopulationsgruppen gehören 30 und mehr Personen. Sie sind sogar Generationsübergreifend. Der Unterschied zum normalen “Fremdgehen”: Heimlichkeiten gibt es nicht! Jeder Partner weiß von allen anderen!“ Na, da dachte ich mir in dem Moment, wenn man die zu Weihnachten alle zu sich nach Hause einlädt, wird’s wohl eher eine ausufernde Gang-Bang-Party, als besinnliche ’stille Nacht – heilige Nacht‘. Und irgendwie fragte ich mich plötzlich: ist eigentlich eine Kassette im Cam-Corder?
Gut, gut… Und was heisst das für dich, wenn Du Trendy sein willst? Ab sofort keine Kompromisse mehr in der Beziehung. Nehm Dir das Beste aus Allem.
Deine langjährige Freundin kocht so lecker wie Tim Mälzer, sieht nur leider auch genauso aus?
Dann suchen wir uns mal wacker was junges Knackiges, mit dem wir die Horizontalakrobatik für Erwachsene bis zum Exzess ausüben ohne einen Würgereiz zu bekommen…
Diese bildhübsche und gelenkige Sex-Göttin ist leider genauso doof, wie Sie hübsch ist?
Null Problemo! Nehmen wir uns doch noch ein tageslichttaugliches Weibchen – am besten so um die 35 Jahre, gebildet, mit dem wir tiefgründige Gespräche führen können, und in der Öffentlichkeit nicht für einen Peinlichkeitsauftritt und Menschenauflauf sorgen, wenn das Dummerle sich mit einer platzenden Kaugummiblase das ganze Gesicht verklebt und droht zu ersticken.
Zur Abrundung, und weil es ‘chic’ ist, könnte noch eine schwule, gebildete Vorzeige- Tucke ins kleine schwarze Buch passen. Wenn man einen Berater bei der Bekleidungsauswahl braucht, oder zum Besuch von Vernissagen u.ä..
Die Mädels und Jungs haben noch andere Verpflichtungen, als nur für dich da zu sein, wenn es im Schritt juckt? Kein Problem: schaff dir von jeder Ausgabe ein “Double” an. Mit den 8 Sex-Partnern hat man ja schon mal ein ganz nettes Grundpolster um es ordentlich krachen zu lassen. Hmm, doch da lese ich im Focus zu: „Eifersüchtig sollte man bei dieser Art der Beziehung nicht sein. Das führt ganz schnell zu schlechtem Karma, und gilt unter den Polylovern als ‚Makel’”. Na, das ist ja jetzt voll doof. Denn Eifersucht ist bei mir schon eine ziemlich ausgeprägte Charaktereigenschaft. Und irgendwie gehören ja Liebe, Treue und Eifersucht (na klar und SEX auch!) ein bisschen zusammen. – Ach verdammt! Über Bord damit! Einfach die Gefühle nicht mehr tief ins Herz gehen lassen. Beziehungen rangieren nur noch auf der gleichen emotionalen Ebene wie der Umgang mit den Arbeitskollegen – und sind genauso oberflächlich!
Erstaunlich bei diesem Trend:
Er kommt aus einem der prüdesten der Erde – den USA. Dort heißt die Bewegung “Polylove”, an deren Spitze die Gesellschaft “Loving More” steht.
Demnächst renne ich also durch die Stadt, deute mit den Fingern auf die Mädels und sage nur noch: “Du, Du , Du – waschen – mitkommen”
(So ungefähr könnte ich mir ein Grundsortiment an knuddeligen Hasenpupsen vorstellen.)
Nie wieder Tränen, Trennungen oder Eifersuchtsszenen. Nur oberflächlichen schnellen Sex. Es kommen gar herrliche Zeiten auf mich zu!.
Mein einziges Problem: Wenn ich zu Weihnachten alle Freundinnen zu mir einlade, erwarten die Mädels sicher alle Geschenke. Das macht mich ja arm!
Aber im großen und ganzen: Auch wenn die Amis Spinner sind – Mit einigen Trends könnte ich mich anfreunden…
letzte Änderung: 10.06.2010 13:41 Uhr