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Sonntagsgedanken: wenn die Welt nie mehr so sein wird wie früher – ein Leben in einer Zigarrenkiste..

..oder: Rente oder “Volkssturm”? - Vergänglichkeit ist ein Gesetz des Universums

..oder: Rente oder “Volkssturm”? – Vergänglichkeit ist ein Gesetz des Universums

Hidiho liebe Community. Dieser Blogbeitrag wird wahrscheinlich nicht bei google in den Top Rankings erscheinen – es ist auch nicht beabsichtigt, denn er ist diesmal rein persönlicher Natur. Er enthält keine Review zu geiler Hardware, Tips zu Windows, neuen Apps, oder anderem technischen Schnickschnack, ist nicht stundenlang auf perfektes SEO getrimmt. Er ist einfach meine gesammelten Gedanken zur aktuellen Situation der Welt – aus meinem eigenen, ganz persönlichem Blickwinkel. Für alle, die das nicht interessiert – was ich verstehen könnte – ich bin niemandem böse deswegen, wenn er weiter zappt. Für alle anderen – die Reise in meine aktuell ziemlich nachdenkliche und besorgte Psyche beginnt genau jetzt:

Sonntagsgedanken: wenn die Welt nie mehr so sein wird wie früher – ein Leben in einer Zigarrenkiste..(Bild links: ein Foto, das nachdenklich macht – Nein, ich meine nicht, dass mein leiblicher Großvater (in der Mitte des Bildes) ein richtig hübscher Kerl war, von dem ich mein Aussehen geerbt habe, sondern dass ich niemanden auf diesen Familienfotos kenne. Bestürzender sind aber die Inhalte der Feldpostbriefe meines leiblichen Großvaters, der im Krieg in Russland fiel.)

Als ich letztes Jahr meiner Wohnung ein neues Outfit verpasste, blieb es nicht aus, dass ich in Ecken rumstöberte, die ich bisher nicht näher in Augenschein genommen hatte. Die Wohnung, in der ich nun seit 1997 als glücklicher Single wohne, habe ich von meinen verstorbenen Großeltern bekommen. Ebenso lebte ich lange Jahre meiner Jugend hier – die familiären Gründe dafür hier zu erwähnen, tun nichts zur Sache..

Irgendwann war es an der Zeit den letzten Schrank zu entsorgen. Hinter einem Stapel altertümlicher Teller der Seltman Weiden Manufaktur, die ich bisher aufgrund des verspielten blauen Designs nie angefasst hatte, stieß ich auf eine verstaubte braune, schmucklose Pappschachtel. Ich war nicht sicher, wofür Sie früher benutzt wurde, oder was seinerzeit darin aufbewahrt wurde – von meiner Großmutter wurde sie jedenfalls scheinbar umfunktioniert um dort drin etwas zu verwahren.

Was ich nicht wusste – es waren ihre persönliche Erinnerungen aus Ihrer Jugend..

Ich wurde neugierig – wenn ich ehrlich bin, hat mich weder der Stammbaum unserer Familie noch die nächsten Verwandten jemals interessiert. Selbst meinen leiblichen Vater habe ich niemals kennen gelernt. Ein paar Jahre durfte ich einen Stiefvater mein eigen nennen – doch da ich während der Zeit bei Pflegeeltern wohnte, ist auch diese persönliche Bindung eher im Familienbuch als in Persona vorhanden. Klar war ich als Kind mit bei meinen Onkeln und Tanten mal mit zu Besuch, aber es gab dort niemanden in meinem Alter, mit dem man hätte spielen können. Besuch bedeutete also meistens still sitzen um nicht zu stören, wenn sich die andren über Dinge unterhielten, die ich nicht verstand. Die Erinnerungen und damit auch der Wunsch zu näherer wiederauflebender Bekanntschaft war also kaum präsent.


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Beim öffnen des Deckels offenbarten sich die Erinnerungen und auch die Schicksalsschläge, die meine Großmutter erlitten hatte.

Fotos von Familienmitgliedern aus der Jahrhundertwende und den dreißiger und vierziger Jahren. Zum Teil Fotos von Paaren, die stocksteif vor der Kamera standen – wie damals üblich mit steinerner Miene. Die Männer in Anzug und mit steifen Hemdkragen – der obligatorische Schnäuzer gehörte bei den Männern genauso dazu, wie die Bodenlangen Kleider der Frauen und die hochgesteckte Frisur. Es gab aber auch Gruppenfotos späterer Jahre – damit meine ich vor den Kriegsjahren, als junge Männer und Frauen lachend zu einem Gruppenfoto zusammen standen.

Die Erinnerungen hätten Good Vibes auslösen können, wenn nicht eine Vielzahl von Feldpost-Briefen ebenfalls im Kästchen gewesen wären..

Sie stammten von meinem leiblichen Großvater – der Mann, in den meine Großmutter wirklich verliebt war. Den Mann, den meine Großmutter nach dem Krieg heiratete, war nicht ihre große Liebe – aber wie kann man auch jemand neues lieben, wenn die alte Liebe nicht erloschen ist? Der Tod eines geliebten Menschen durch Krieg ist etwas so überflüssiges und beendet nicht nur das Leben des im Kampf gefallenen Menschen sondern es zerstört mitunter auch das Leben des Hinterbliebenen Partners. Das wurde mir klar, als ich die Briefe las..

Es zeigte auch, wie schnell das Leben vorbei sein kann, denn zwischen dem ersten und letztem Brief lagen grade mal 3 kurze Monate. Die Feldpostbriefe waren aus dünnstem, fleddrigem Papier. Beschrieben mit Bleistift mit dem mein Großvater seine Gedanken und Hoffnungen an meine Großmutter sandte.

Die Briefe begannen in der Nähe von Köln, wo er damals stationiert war. Schon zu der Zeit – der Krieg in Deutschland war schon verloren, denn die Städte im Ruhrgebiet wurden bombardiert – enthielten die Briefe trotz der Furcht, die man zwischen den Zeilen lesen konnte (einer seiner Kameraden, der zu der Zeit dort in einem Lazarett lag, kam bei dem Luftangriff auf Köln ums Leben) nur Liebe an seine Tochter und seine Frau. Es gab nicht einmal ein böses Wort gegen den “Feind”.


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Schon kurz darauf wurde er von Köln nach Russland verlegt – die Briefe aus dem strengen Winter dort zeugen von den Entbehrungen, doch auch hier war der beherrschende Gedanke die Rückkehr zu Frau und Kind.

Einige Wochen später starb er an der Front.

Warum ich das schreibe?

Die Bilder in der Ukraine sind schlimm – ich schaue solche Berichterstattungen schon nicht mehr. Ich habe dabei ein schlechtes Gefühl – ich komme mir fast vor wie ein Gaffer, der sensationslüstern im Schritttempo an einen Unfall auf der Autobahn vorbeifährt um vielleicht einen Blick auf einen Verletzten werfen zu können. Dazu die dümmlichen Fragen der Kommentatoren aus ihren sicheren und beheizten Fernsehstudios, an die im Krisengebiet “Live zugeschalteten” ukrainischen Bewohner oder Angestellte deutscher Hilfsorganisationen. Ist es wirklich nötig zu fragen: “was empfinden Sie dabei?” und der wiederholte Versuch aus diesen Menschen, die aus Überzeugung etwas gutes und Richtiges zu tun, dort geblieben sind, Gefühle vor der Kamera herauszupressen.

Mein Tipp an die Kommentatoren: Wenn Ihr die Gefühle von Menschen in beschossenen und zerbombten Häusern gerne an die Fernsehzuschauer vermitteln wollt, damit die so was wie ein kribbeln in den Adern verspüren: fahrt mal für eine Woche in ein umkämpftes Gebiet, lebt in einem Keller unter einem zerstörtem Haus, verrichtet euer Geschäft in einer Ecke draußen auf der Straße, weil es kein fließendes Wasser mehr gibt und immer mit der Angst, dass ein Heckenschütze dir den Hintern wegballert, futtert kaltes Essen aus Konservendosen, denn Strom und Gas zum erhitzen gibt es auch nicht mehr, schlaft in euren Klamotten auf einer Matratze auf dem Boden, weil die Heizung auch zerstört ist – dabei immer die Angst im Hinterkopf, dass die nächste Rakete dich töten könnte. Dann werdet Ihr solche bescheuerten Fragen nicht mehr stellen.

Sonntagsgedanken: wenn die Welt nie mehr so sein wird wie früher – ein Leben in einer Zigarrenkiste..Doch es gibt noch mehr. Schaut man sich die Bilder an, dann könnte man meinen diese Kriegsbilder könnten auch irgendwo in Deutschland aufgenommen worden sein. Westliche Architektur, moderne Autos, Verkehrsschilder die man auch hier gebraucht – das vermittelt die Nähe des Konfliktes. Es ist nicht irgendwo in der Ukraine – einem Land, von dem ich bisher nicht viel wusste, außer dass die Klitschko Brüder von dort stammen und die frühere Regierung korrupt bis ins Mark war. Es ist näher gerückt, ganz nah. Denn man befasst sich nun intensiver mit dem Land – auch wenn es nie auf meiner Liste der Länder in denen ich mal Urlaub machen möchte, war. Flächenmäßig ist es so groß wie Deutschland und Polen zusammen. Es ist also kein Zwergen Staat.

Mein Freund Torsten, der vor etwas über 10 Jahren in Ungarn seinen Doktor der Bauphysik an der Uni in Pecs gemacht hat und dort seine Frau kennen gelernt hat und geheiratet hat, hat die ungarische Staatsangehörigkeit. Ungarn und die Ukraine verbindet eine gemeinsame Grenze – und er kann in Ungarn noch zum Wehrdienst einberufen werden. Sollten die Dinge eskalieren – dieser Umstand kann schnell passieren – solche Gedanken hat er natürlich auch im Kopf…

Die Lage des Planeten ist verworren wie nie und wir müssen verdammt aufpassen, dass wir uns nicht auch in diese Spirale der Gewalt hineinziehen lassen, denn es ist nicht nur Russland, der als Aggressor auftritt. Im Hintergrund lauert auch schon China und mit Indien sind ebenfalls zwei weitere der Bevölkerungsreichsten und mit Atomwaffen ausgestattete Länder in Lauerstellung. Die wollen die Gunst der Stunde nutzen und geopolitischen Einfluss gewinnen. Dass China schon seit Jahren immens aufrüstet ist bekannt – doch welchen echten Feind hat China? Dass China es auf Taiwan abgesehen hat ist bekannt – braucht es für diese kleine Insel wirklich eine Riesenflotte an Kriegsschiffen?

Von der Fläche her ist China ungefähr vergleichbar mit Australien oder den USA, stellt aber dazu fast 20% der gesamten Weltbevölkerung. Im Gegensatz dazu ist Russland flächenmäßig ungefähr drei mal so groß wie China – mit nur 2% der Weltbevölkerung jedoch nur extrem dünn besiedelt. Die Ukraine ist flächenmäßig im Vergleich zu Russland ein Zwerg – nur ungefähr ein zehntel so groß – hat aber mit 0,6% Anteil an der Weltbevölkerung fast ein Drittel der Einwohnerzahl von Russland. Es ist deshalb aus taktischer Sicht vermessen zu glauben, dass Putin bei diesem Ungleichgewicht die Kontrolle über die Ukraine behalten kann – selbst wenn er im Falle eines Sieges und dem installieren einer Marionettenregierung an jeder Ecke Besatzungstruppen stationiert. Dazu ist bereits zu viel Porzellan zerschlagen worden.


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In wie weit Indien mit seinen fast 20% Anteil an der Erdbevölkerung in diesen Eroberungsphantasien mitspielen will – darüber grübele ich noch. Aktuell haben aber Zwei Diktatoren die Macht über die halbe Welt. Und das ist es, was ich nicht verstehe. Jeden Tag werden Menschen wie Du und ich von denen getötet – nur weil Sie ihre Freiheit verteidigen wollen, Ihre Meinung sagen oder einfach “unbequem” sind. Doch nichts passiert. Ungehindert marschieren die in andere Länder ein, begehen Kriegsverbrechen, lassen Killerkommandos auf Kritiker los – und eröffnen unter Applaus der Massen sportliche Großveranstaltungen. Die UNO hat keine Macht, denn es gibt genug gekaufte Regierungen, die in ihrem eigenen Land Menschenrechte mit Füßen treten und nur durch Waffenlieferungen dieser beiden Länder noch an der Macht sind. Das verpflichtet. Es zeigt leider, dass die Menschheit immer noch nicht für ein friedvolles Leben miteinander bereit ist.

Dazu kotzt es mich an, dass jetzt hier alles was russisch ist, russisch spricht oder russisch aussieht angefeindet wird. Wie kann man so dumm sein und seine Aggression Putin gegenüber an unschuldigen Restaurantbetreibern oder Kellnern ausleben? Die meisten sind selber froh, dass sie hier einen Job haben um ein selbstbestimmtes Leben zu führen und nicht in einer Diktatur leben müssen. Nicht der Russe ist unser Feind – es ist einzig und allein Putin!

Vielleicht das noch am Ende..

Krieg ist kein kribbelndes Videospiel – man hat keine 3 Leben und wenn man verkackt ist es nicht damit getan eine neue Münze einzuwerfen. Der Krieg in der Ukraine muss unter allen Umständen schnell beendet werden – aber nicht mit militärischen Mitteln. Gewalt erzeugt nur Gegengewalt. Die Weigerung Deutschlands auf russisches Gas zu verzichten und damit Putin weiterhin Geld zum weiterführen des Krieges in die Kassen zu spülen ist typische deutsche Doppelzüngigkeit. Ich bin bereit auch mal einen Winter oder zwei in der Bude mit 2 wärmenden Pullis übereinander durch die Wohnung zu laufen, wenn ich dafür den Krieg etwas eher beenden kann – selbst wenn es nur ein einziger Tag ist.

Außerdem habe ich keinen Bock selber mal in die Situation zu kommen Feldpostbriefe schreiben zu müssen – ich weiß nämlich nicht an wen ich welche schreiben sollte..

Wie steht es mit Dir?

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Doktor Nerd

Peter, auch bekannt als DOKTOR NERD, hat schon mal das Attribut "bester Allround-Blogger" von einer bekannten Bloggerin verliehen bekommen - Inoffiziell versteht sich. Er war früher in sozialen Netzwerken aktiv - bis er feststellte, dass die sozialen Netzwerke ohne Ihn besser dran sind (und umgekehrt!). Hier schreibt er über alle Themen, die grade aktuell sind (und dabei ist ihm kein… More »

6 Kommentare

  1. Lieber Peter,
    das ist wirklich sehr bewegend, was Du hier schreibst. Keinen von uns lässt der Krieg Russlands gegen die Ukraine kalt. Mit einemmal ist das Schreckgespenst – der Krieg, nicht der Russe – wieder ganz nah da. Vergleiche zu den Angriffskriegen des Dritten Reichs liegen nahe; verstärkt durch persönliche Erinnerungen, wie Du sie gefunden hast.
    Als ich unlängst die Briefmarkensammlung meines verstorbenen Vaters an einen ortsansässigen Philatelistenverein stiftete, stieß ich beim Sichten auf die Feldpost meines Großvaters mütterlicherseits, der seiner „lieben Theres“ aus dem Polenfeldzug schrieb. Ich erkenne bei Dir ähnliche bewegende Momente wie bei mir, als ich die Zeilen entzifferte: Wie gut sie untergebracht seien, dass man ihnen gut zu essen und zu trinken gebe, dass es auszuhalten sei, dass sie sich keine Sorgen machen müsse … kein Wort von seiner Angst, kein Wort darüber, dass er den Abzug drücken musste, kein Wort darüber, was er angeblich verteidigte …
    Auch nach dem Krieg – kein Wort über das, was er erleben musste. Aber politisch setzte sich mein Großvater dafür ein, dass es ein Drittes Reich nie mehr bei uns geben könne. Als SPDler durch und durch (schon vor dem Krieg) tat er das, was ihm möglich war, um unsere Demokratie zu errichten.
    Was einer der Gründe ist, warum ich bei den Schergen und Zwergen der AfD nur Abscheu empfinden kann.
    Beste Grüße & auf bald wieder in diesem Kanal,
    Christian

    1. Hallo Christian,
      ja, manchmal werde sogar ich nachdenklich und seltsam berührt. Und es ist traurig, dass es Menschen gibt, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben – die jetzt schon wieder gerne das Säbelrasseln hören würden. Bemerkenswert dabei ist, dass es eher die in den Talkshows geladenen Generäle sind, die versuchen die Kriegstreiber zu bremsen. Ich muss da manchmal an den Film „die Brücke “ denken. Kinder, nicht mal volljährig, die sich freuen in den Krieg ziehen zu können. Vielleicht glauben ja wirklich einige Counterstrike-Zocker, dass man ein Level neu starten kann, wenn man verkackt.. aber so ist das im Leben. Mache vermeintlich gute Ideen stellen sich bei der Ausführung als ziemlich idiotisch heraus – wenn ich da mal an den seltsamen Tot von David Carradine (Mister „Kung-Fu“) erinnern darf. Da kann er noch so berühmt (aber auch höchstalbern) in Action Filmen mitgespielt haben – für mich bleibt er als ein geiler Depp in Erinnerung, der sich bei einem autoerotischem Unfall mittels Hypoxyphilie selbst aus dem Genpool der schlechten Schauspieler gekickt hat..
      Was die AfD angeht, da bin ich ganz bei Dir – doch leider hat sich die SPD ihre moralischen Werte auch abkaufen lassen. Das ist eigentlich das wirklich traurige: schaut man Reportagen zu den ganzen Machenschaften hinter verschlossenen Türen, dann ist die SPD den Namen nicht wert, den sie trägt: statt sozialistische sozialdemokratische Partei Deutschlands sollte sich sich umbenennen in LUVD (Lobby-Unterstützungsverein Deutschland). Spricht sich lautmalerisch auch schöner: „LUFT“.. und die wird uns wohl bald auf diesem Planeten ausgehen, wenn wir so weitermachen..
      Bleib gesund und Grüße an Brad soll ich von meiner QNAP ausrichten.. 😉

  2. „Willst du dir den Tag versauen, brauchste nur Nachrichten schauen…“ Dachte ich mir eines schönen, sonnigen Morgens, als über meinen News Ticker irgendwas mit „Putin“ und „Atomwaffen“ flimmerte. Seit dem Ausbruch des Krieges ist jeder Tag mehr oder weniger mit einer tief schwellenden Existenzangst verbunden. Und ja, diesmal ist mit „Existenz“ wirklich und wahrhaftig das „Existieren“ auf dieser Erde gemeint.

    Inzwischen… was soll ich sagen. Man gewöhnt sich an alles. Und das ist vielleicht die Gefahr. Man gewöhnt sich auch an den Krieg in der Ukraine, er wird in den Hintergrund rücken. Nicht falsch verstehen, er betrifft uns nach wie vor; heute sind die russischen Truppen so nahe an der polnischen Grenze wie noch nie, und das macht leicht nervös. Dennoch. Der Mensch muss sein normales Leben leben, sonst wird man verrückt…

    Natürlich sind wir nicht für den Krieg. Wir (damit ist ausdrücklich unsere Regierung gemeint und ja, auch viele von uns selber, die wir so lange weggesehen haben) sind einfach nur auf unsere Interessen bedacht. Und wir denken nicht weiter. Wir denken nicht daran, dass uns diese Einstellung irgendwann sowas von auf die Füße fallen könnte.

    Die Menschen in der Ukraine verlieren gerade alles. Was für ein grauenvoller, gewaltsamer Bruch, mit einem Mal flüchten zu müssen, in ein anderes Land, in einen anderen Kulturkreis, und ganz bei Null anzufangen. Das prägt für das ganze Leben. Ich weiß noch, meine Großeltern – als sie bereits schon alt waren, war kaum ein Abschnitt ihres Lebens so relevant wie der Krieg. Nicht die erste Anstellung, nicht die Heirat oder die Geburt des ersten Kindes. Nein. Mein Großvater erzählte häufig davon, wie er beim Warschauer Aufstand stationiert war und wie er Kabel (damit die Verbindung aufrecht erhalten blieb) über den gefrorenen Fluss Weichsel zog. Als das Eis einbrach, wäre er fast ertrunken. Kameraden holten ihn raus.

    Die Erinnerungen meiner Oma an den Krieg waren weniger gewaltsam. Sie war jünger zu dieser Zeit, vielleicht zwölf Jahre alt. Sie erzählte oft von dem jungen, deutschen Soldaten, der sich bei ihren Eltern zu Hause einquartiert hatte und seine Mutter vermisste.

    Und an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich sagen, dass es mich auch um die andere Seite schmerzt. Um die russischen Soldaten, die – wie einige selbst sagten – hingeschickt wurden, „um zu sterben“. Das ist doch so unnötig. Und das nur, weil ein Mensch mit zu viel Macht es so will.

    Ich möchte keine Prognosen erstellen. Ich versuche, positiv zu denken. Das muss ich. Doch wenn das alles vorbei ist, dann muss sich bei unserer Außenpolitik bitteschön was ändern, und zwar dauerhaft. Weniger Eigennutz, mehr Werte. Hinter denen man bitte auch steht. Wir haben gezeigt, dass wir zusammenrücken können. Bleiben wir dabei.

    1. Hi Kasia,
      also, was das Kompliment der langen Kommentare angeht – das kann ich hiermit zurück geben.. Danke für deine Gedanken.
      In der Tat ist mein Beitrag am Ende nicht weiter darauf eingegangen, wie es weitergeht mit der Ukraine, Russland und dem Rest der Welt. Denn meine Prognose ist düster:
      Es steht zu vermuten, dass Putin seine Ziele mit Gewalt durchsetzen wird – dabei ist ihm jedes Mittel Recht. Verhandlungen sind für Ihn nur Verzögerungstaktik. Er muss seinen Plan die Ukraine zu besetzen einfach umsetzen – es wäre sonst sein politisches Ende. Der Krieg dauert jetzt schon zu lange und die Zeit spielt gegen ihn. Er hat ja jetzt schon vor der UNO die Ukraine beschuldigt Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Erfahrene Experten haben schon gesagt, dass das russische Militär (ich sage mit Absicht nicht „die Russen“) diese dann alsbald selber einsetzen wird. Auf die Bevölkerung der Ukraine wird also noch sehr viel Leid einströmen. Aufgrund der Bevölkerungsdichte – die Ukraine hat fast ein Drittel so viele Einwohner wie Russland – kann man nicht erwarten, dass Putin das Land einfach so besetzen kann – im Gegenteil. Die Bevölkerung – selbst die pro russisch eingestellten Einwohner – werden wo immer es geht gegen die Besatzer und deren Linientreuen Putinisten vorgehen. Die erste russische Statthalterin wurde installiert. Ich würde keinen Rubel darauf wetten, dass Sie das Ende des Jahres überlebt sondern vorher bereits ein unrühmliches Ende nehmen wird. Das wird wiederum zu Strafmaßnahmen Russlands führen. Die Spirale der Gewalt hat angefangen sich zu drehen.
      Aber Russland erwartet hier (denke ich jedenfalls) ein 2. Afghanistan: ein Widerstandskampf von Rebellen, die von Putin natürlich Terroristen genannt werden – mit dem Unterschied, dass zusätzlich durch die Sanktionen gegen Russland, Widerstand in der eigenen Bevölkerung wächst und Putin letztlich abgewählt wird.
      Doch das ist keine wirkliche Lösung, denn Putin hat auch bereits in der Vergangenheit einen ihm treuen Speichellecker als Präsident wählen lassen. In der Zeit von 2008 bis 2012 trat er nicht in den Vordergrund – trotzdem liefen alle Entscheidungen in Russland über ihn.
      Er muss als Kriegsverbrecher angeklagt werden und verurteilt werden.
      Doch was passiert danach?
      Wie man sieht ist auch China ein Beobachter und wartet nur darauf, diesen Konflikt auch für sich nutzen zu können.
      Wie gehen wir in Zukunft mit diesen Ländern um?
      Geschäfte mit Ländern machen, die sich einen Dreck um Menschenrechte kümmern, solange es der Wirtschaft gut geht? In einem Bericht von ARTE (Videolink: https://youtu.be/cUxfZtxcujk ) wird gezeigt, dass Putin dies gemacht hat um Einfluss auf andere Länder zu nehmen. Aber der Westen (und damit ist auch ganz besonders Deutschland gemeint) macht es doch genauso.
      Geschäfte machen mit China? Fußball WM in Quatar? Eigentlich unerlaubte Waffenfabriken (Link: https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/wirtschaft/deutsche_gewehrfabrik_fuer_saudi-arbien.html ) in Saudi-Arabien (gestern über 80 öffentliche Hinrichtungen)?
      Ich glaube in Zukunft werden wir wieder Grenzen ziehen und Mauern erneut hochziehen, die wir als eingerissen gesehen haben. Nicht nur physikalisch an den Grenzen – sondern auch in unseren Köpfen..
      Bleib gesund und behalte deine gute Laune – auch wenn meine Vision etwas düster ist. Es muss ja nicht so enden..;-)
      CU
      P.

  3. Vielleicht wird der ein oder andere jetzt mal etwas wach, der noch vor ein paar Monaten nach einem starken Mann geschrien hat. Die Demokratie hat unbestritten ihre Nachteile, aber Autokratie führt fast ausschließlich ins Verderben. Mein Großvater ist auch im Krieg gefallen und meine Großmutter hat auf der Flucht von Westpreußen Schreckliches erlebt. Leider lebt fast niemand mehr, der den Krieg in Deutschland bewusst erlebt hätte, ich selber kann mich auch nur noch dunkel an die mahnenden Worte der Großmutter erinnern. Die Kriegserlebnisse begleiteten sie damals bis zum Tod.

    Diese alten Bilder die du da hast, die habe ich von meinen Großeltern auch noch. Mein Großvater hatte ebenfalls einen mächtigen Schnauzbart und eine spiegelnde Glatze. Seitdem verfluche ich die Genetik 😉

    1. Ja, die Genetik… die verfluche ich auch.. 🙂
      Autokratie macht nur in einem einzigen Falle Sinn – in einer Krise, wenn es darum geht schnell handlungsfähig zu sein. Nach überstandener Krise ist aber die Macht wieder in die Hände des Volkes zurückzugeben. Und das wollen die Autokraten nicht. Macht macht Hunger auf mehr Macht. Es ist deshalb wahrscheinlicher dass aus einer Autokratie eine Diktatur wird.
      Wie heisst es bei Hamlet: „Wahnsinn darf bei den großen und mächtigen Menschen, nie ohne Wache gehn..“
      Bleib gesund mein Lieber..
      CU
      P.

Geistesblitz da lassen..

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