..der letzte Tag – oder: Rückreise-Chaos pur..
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Auch heute fragte Torsten schon früh über whatsapp nach, ob ich bereit wäre mir das Weinanbaugebiet anzuschauen. Klar – kurz nach draußen geschaut: heute war Hoodie-Wetter, denn leider war das Wetter lausig: Es regnete..
Nichtsdestotrotz zottelte ich zu Torsten und wir setzten uns ins Auto um mir am letzten Tag noch ein paar interessante Sehenswürdigkeiten in Pecs zu zeigen. Leider schüttete es teilweise so stark, dass man kaum Lust hatte das schützende Gefährt zu verlassen.
ein bißchen Gegend gucken am letzten Tag..
Zuerst ging es zu einer verlassenen Burgruine in Siklos, die man wieder Touristentauglich renoviert hat. Im Sommer gibt es dort einen Mittelalter-Markt und es werden dort auch Ritterspiele abgehalten. Das Außenareal der Burg ist frei zugänglich, im Innenhof hätten wir Eintritt zahlen müssen, da an diesem Sonntag dort ein Kammer-Orchester im Rahmen der Pecser Tage, die ja diesjährig vom 20. September bis 24. September stattfinden, ein Konzert gab.
(Bild: Halb Burg – halb Schloss. Die dicken Mauern mit den Schiessscharten und die Kanonen im inneren des Wehrs deuten auf eine etwas unruhigere Zeit hin. Tja, wer kennt nicht den Zwist mit den verhassten Nachbarn.. )
Da wir etwas in Zeitdruck waren – am frühen Nachmittag kam ja schon mein Shuttle-Service um mich zum Budapester Flughafen zu bringen – verkniffen wir uns das Vergnügen klassische Musik zu genießen. Man muss auch mal verzichten können..
Dafür stromerten wir einmal um die Burg herum. Da es grade nicht regnete konnte ich auch ein paar Fotos machen.
Danach ging es in das Weinanbaugebiet Villany. Es liegt etwas außerhalb von Pecs an einer Landstraße. An der Straße liegen etliche kleine Weinkeltereien und deren Weinkeller wie Perlen an einer Schnur aufgereiht. Die Weinkeller sehen aus wie kleine Garagenhäuschen. Und da jeder Besitzer und Weinbauer andere Vorstellungen von Fassade, Form und Farbe hat, gestaltet sich die Fahrt sehr Farbenfroh.
(Bild: wofür dieses exponierte Mauerteil gut ist? Diente es früher als Aussichtsplattform? Bungee-Jumping Plattform? Müllabkippstelle? Schwiegermutter-Entsorgungs-Platz? Keine Ahnung. Vielleicht erfahre ich es ja noch..)
Auch an Siedlungen mit den typischen Häuser der Donauschwaben führt die Straße im weiteren Verlauf vorbei. An einigen steht tatsächlich zusätzlich zum ungarischen auch der deutsche Name „Bürgermeisteramt“, und ähnliches am Haus.
Die Bauform ist typisch: An der Straße eine eher schmale Stirnseite, dafür aber langgezogen mit einem langen überdachten Gehsteig an der Längsseite der Fassade entlang.
Aufgrund des echt miesen Wetters habe ich keine Fotos davon durch das voll gepledderte Autofenster gemacht. Es gibt sicher die Möglichkeit das beim nächsten Mal nachzuholen.
Zurück in Pecs zeigte mir Torsten auch noch den Bahnhof in Pecs. Es ist nämlich auch möglich nur mit dem Zug von Dortmund nach Pecs – genauso wie zurück – zu fahren. Dauert natürlich extrem lange, da man etliche Male umsteigen muss. Mit über 20 Stunden Reisezeit sollte man rechnen. Die Bahn-App gibt auch an, dass man zwischen 4 und 7 mal die Koffer wieder aus dem Zug auf einen anderen Bahnsteig schleppen muss. Bahnfahren hält fit – ist ja auch mal ein positiver Aspekt. Die Fahrt von Ungarn nach Dortmund zu buchen ist aber preislich wesentlich günstiger als andersherum.
Wenn man auch im Zug bequemer sitzt als im engen Flieger und sich während der langweiligen Fahrt mal die tattrigen Beine vertreten kann um seine Zipperlein zu pflegen – preislich kommt nichts an den Flug mit Wizz-Air ran. Ich habe jetzt die Angebote für nächstes Jahr bekommen. Für Frühbucher reduziert sich der Flugpreis auf knapp 30,00 € pro Flug. Selbst wenn man noch den Shuttle-Service von Budapest nach Pecs mit knapp 50 € mit einrechnet, ist man für 80 € Tür zu Tür gereist.
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Torsten brachte mich zu meinem Apartment und ich holte meinen Rucksack, den ich morgens schon fertig gepackt hatte. Die Wäsche war in Plastiktüten nach Schmutzwäsche und unbenutzt getrennt worden, die Ersatzschuhe ebenfalls in einen Plastikbeutel verstaut.
Seife, Zahnpasta, Zahnbürste und Deo-Spray kamen in den Abfalleimer, denn diese Dinge bringen bei den Kontrollen am Flughafen schon mal Ärger.
Lebensmittel, die ungeöffnet waren kamen in eine Tüte und wurden auf den Küchentisch gestellt. Vielleicht freut sich die Putzfrau darüber oder kennt jemanden, der Bedarf dafür hat. Danach spülte ich noch das Geschirr, legte das Bettzeug wieder ordentlich zusammen und fegte noch mal durch das Apartment. Man muss sich als Gast ja nicht wie ein Schwein benehmen und einen Saustall hinterlassen.
Da Sonntags in Ungarn viele Supermärkte auf haben, hatte ich morgens auch noch schnell 2 Brötchen gekauft, die mit der leckeren Salami belegt, mit satt Margarine eingeschmiert und in eine klare Plastiktüte gepackt. Die sollten mir während der Reise den Appetit stillen.
Ein letzter prüfender Blick durch das Apartment, das 5 Tage mein Zuhause war – ja, so kann man das ohne schlechtes Gewissen verlassen.
Unten warf ich den Apartment-Schlüssel in den dafür vorgesehenen Kasten – jetzt gab es keinen Weg zurück mehr. Ich ging rüber zu Torsten um noch etwas zu quatschen und mich von seiner ganzen Familie Lilla, Patrick und Marcel zu verabschieden. Kurz darauf musste ich auch schon wieder zurück zu meinem Apartment, denn mein Pick-Up Termin rückte unaufhaltsam näher. Torsten begleitete mich zurück und wir quatschen noch etwas auf der Ecke.
Pünktlich bog der als Shuttle-Bus dienende Mini-Van in die Gasse ein, der Fahrer fragte mich, ob ich Peter bin und ich stieg ein. Auch jetzt war ich wieder der letzte, aber irgendwie klebt mir dieses Karma die ganze Reise über an den Hacken.
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Knapp 2 Stunden später war der Van am Flughafen, die anderen Passagiere und ich stiegen aus, nahmen unser Gepäck und dann trennten sich unsere Wege, da die Reiseziele andere Städte und andere Airlines waren. Nachdem ich durch den Eingang des Terminals 2 in die große Halle kam, war ich erst mal völlig hilflos und mit den Eindrücken überfordert. Was für ein Unterschied zum Provinz-Flughafen Dortmund, wo nur 2 Luftlinien starten und landen. Auf einer riesigen Anzeigetafel wurden die etlichen Flüge angezeigt und die Counter der verschiedenen Fluglinien erstreckten sich gefühlt in der Halle bis zum Horizont..
(Bild oben: Hier muss man erst mal die Übersicht behalten. Welche Airline, welche Flugnummer – verspätet ja oder nein? Profis erkennen auf einen Blick die Lage – Provinz-Eier wie ich brauchen erst mal ein paar Minuten um aus dem bunten Kauderwelsch die richtigen Informationen zu filtern. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich schon alt bin – wer weiss..)
Ich kam mir wieder genauso verloren vor wie auf dem Hinflug am Dortmunder Flughafen – nur dass diesmal alles noch übermächtiger und fremder war. Die Vielzahl an Eindrücken, der Versuch sich zu orientieren, das auseinander klamüsern der Sprache. Mein Puls stieg merklich…
Gut, dass ich schon sehr früh am Terminal war – es blieb genug Zeit sich zu orientieren. Aber was macht man nach der Orientierungs-Phase (das stellen sich zwar auch viele Schüler in der Schule danach, aber die hocken ja auch nicht Mutterseelenallein in einem fernen Land)? Bis zum öffnen des Counters blieb noch über anderthalb Stunden Zeit. Wäre ich nicht echt angespannt gewesen – ich hätte mich wahrscheinlich irgendwo hingesetzt und gechillt die anderen Reisenden beachtet. Doch die Hektik auf dem Flughafen machte mich irgendwie nervös.
Ich holte das Handy raus, suchte auf der Eurowings-App auf der Bordkarte die Flugnummer – verglich die mit der Anzeige, soweit war alles richtig – mein Blutdruck normalisierte sich langsam, trotzdem war ich nicht richtig entspannt. Ungewohnte Situationen – da bin ich immer in „Alarmstufe Rot“-Modus.
Die Zeit verstrich quälend langsam. Zwischendurch musste ich einmal auf die Toilette, verlief mich dabei und war plötzlich vor dem Terminal. Das lief ja prächtig! Und damit war nicht das entleeren von Körperflüssigkeiten gemeint..
Um wieder in den Terminal zu kommen musste ich erst eine Treppe runter, denn der Eingang war eine andere Tür, die ebenerdig war. Weitere Erkundungsgänge durch das Flughafengebäude verkniff ich mir – ebenso wie weitere Toilettengänge.
Um 18:00 Uhr wurde der Eurowings-Counter besetzt und sofort war eine längere Schlange in den von Trassierbändern abgespannten Bahnen, die zum Schalter führten. Als ich an der Reihe war, zeigte die Dame hinter dem Counter in eine Richtung der Halle in die ich gehen sollte. Ich verstand nur „Security“ – und ging hinter den anderen Passagieren her um mal wieder das blöde Szenario des abtastens über mich ergehen zu lassen.
Die Flughafen Security: Du weisst es wird ernst, wenn Sie die Gummihandschuhe anziehen….
Die Brötchen, die ich immer noch im Rucksack hatte, musste ich in einen Mülleimer werfen. Hätte ich das gewusst, hätte ich die lieber vorher noch gemampft, doch jetzt war es dafür zu spät. Jacke, Handy, Rucksack, Schlüssel und alles was sonst noch Elektronik enthielt oder aus Metall war landete in Plastik-Wannen und wurde über das Fließband weiter befördert.
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Also wieder alles wie gehabt: das Metalldetektor-Dings machte seinen Job und piepte – ich durfte mal wieder die Schuhe ausziehen, mich auf den Ganzkörper-Scanner stellen und dem Security-Guide verklickern, dass ich einen Herzschrittmacher trage und deshalb ein halber Cyborg bin. Seinem Blick nach nahm ich an, dass er glaubte, das sich von Cyborgs berührte Küchengeräte, in wenigen Sekunden zu einem metallenem Monster, welches auf Menschenblut aus ist, transformieren, um die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Er nahm Rücksprache mit seinem Kollegen und die berieten wohl ob sie mich durchlassen oder demontieren sollen – entschieden sich netterweise für ersteres und ich durfte meine Brocken wieder anziehen.
Beim verlassen des Security-Bereichs dachte ich erst, ich wäre falsch abgebogen – der Departure-Bereich sah aus wie die Luxus-Abteilung von Harrods in London! Eine Parfüm-Abteilung, die jeden Douglas Laden erblassen lässt, Boutiquen, die Designer-Klamotten feil bieten und Fress-Oasen ohne Ende. Wieso musste ich meine mit Liebe selbstgeschmierten und sicher leckeren Brötchen wegschmeissen um mir hier zum mehrfachen Preis verhökertes Designer-Schnabulierzeug zu kaufen? Ich fühlte mich aber mal sowas von verkackeiert!
Aber es nutzte ja jetzt nichts. Ich scharwenzelte ein bisschen ziellos durch den riesigen Departure-Bereich, suchte mir einen Sitzplatz mit Blick auf die riesige Anzeigetafel und schaute, was mein Flug, der um 20:15 abheben sollte, so machte.
Nicht viel jedenfalls – der hatte nämlich schon mal eine halbe Stunde Verspätung. Naja, das war ja noch zu verschmerzen..
Dabei sollte es aber nicht bleiben..
Der Flug nach Deutschland – kommt er oder kommt er nicht?
Die nachkommenden Flüge zogen an der Anzeigetafel an meinem Flug vorbei. Aus einer halben Stunde Verstätung wurde eine Stunde.. aus einer Stunde wurden anderthalb… aus anderthalb Stunden wurden zwei.. man glaubt nicht, wie langsam Zeit vergehen kann, wenn man auf einer Wartebank sitzt, auf eine Anzeige starrt und es langsam draußen dunkler wird und die Geschäfte langsam um einen herum die Pforten schließen.
Als die Anzeige auf eine Verspätung von über 2 Stunden Verspätung sprang, tat sich auch was auf der Anzeigetafel. Bisher wurde noch nicht angezeigt an welchem Gate der Flieger starten sollte.
(Bild oben: Da kommt Freude auf – Reisen für Abenteuersucher. Flug EW9783 hat scheinbar ein Problem. Geht mein Flug heute noch? Oder dürfen wir wegen Nachtflugverbot auf den Bänken übernachten oder uns darauf einstellen statt in Düsseldort in Berlin zu landen? Du erfährst es wenn Du weißt was SDA bedeutet. Ja, ich wusste es auch nicht. Aber dass SDA „Service Desk Irgendwas“ heißt, weiß ja auch keine Sau.)
Also mal geschaut, was das SDA bedeutet. Schnurstracks zu einem Info-Stand gestratzt um zu erfahren, was jetzt wieder für Problemchen auf den alten Mann zukommen. Hinter dem Tresen saß ein Mann, der auf sein Handy starrte und so tat als wäre er beschäftigt. Folgerichtig tat ich, als würde ich das nicht merken – und tatsächlich interessierte mich das auch herzlich wenig, denn mein Magen knurrte, ich saß seit Stunden auf dem verkackten Flughafen und wenn ich eine Waffe gehabt hätte, hätte ich den ersten besten Flieger gekapert und dem Piloten gesagt „Nach Dortmund aber zackig – und Tempolimits gibt’s nicht!“ – nur damit der Leser mal eine Vorstellung hat, wo meine Laune zu dem Zeitpunkt war.
Mürrisch erklärte er mir, dass SDA die Abkürzung für einen Info-Stand im hinteren Bereich des Departure-Areals ist und ich dort weitere Infos zum Flug bekäme.
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Also wieder zurück marschiert, den ganzen riesigen Departure-Bereich zurück, durch ein paar Gänge Richtung diverser Abflug-Gates und dort stand tatsächlich ein halber Bretterverschlag, hinter dem ein Angestellter des Flughafens Gutscheine von Eurowings verteilte. Dieser „Voucher“ im Wert von 5,00 Euro (ich schreibe es noch mal in Worten „FÜNF EURO“) war die Entschädigung für die Wartezeit. Wer die Preise auf den Flughäfen kennt, der weiß auch, was es für 5 € ungefähr gibt – NIX!
Er schaute auch auf seine Handy-App und stellte fest, dass der Flieger aus Düsseldorf just in diesem Moment Richtung Startbahn zuckelte..
Na gut.. ich machte mich mit dem Voucher auf den Weg um vielleicht doch noch etwas essbares zu bekommen. Eine Rolltreppe hoch, war ein Schnellrestaurant, welches einiges an italienischen Leckereien kredenzte. Also nix wie hin – jetzt erst mal ne Pizza..
Ich zeigte auf ein Stück – die Bedienung war sichtlich überrascht, dass ich weder Tablett noch Teller hatte – Mann, ich wollte nur noch meine Zähne in irgendwas essbares schlagen – lass die ganze verdammte Deko weg, die knirscht nur zwischen den Zähnen!
Beim zahlen mit dem Voucher sprachen alle irgendwie kein Englisch und wollten wohl nicht verstehen, dass Eurowings die Zeche zahlt. Eine weitere Passagierin liess sich auf eine ausschweifende Diskussion ein. Pff.. Fuck auf den Scheiss Gutschein!
Ich schob einen 2000 Forint Schein rüber, verzichtete auf das Klimpergeld als Wechselgeld, kriegte meine Pizza, suchte mir einen freien Stuhl und mapfte erst mal genüßlich die Mafia-Torte. Das war aber mal sowas von nötig! Mit jedem Bissen der leckeren Teigware kam etwas Lebensenergie zurück. Ich war bereit für die nächste Hiobsbotschaft!
Nachdem ich mich gestärkt hatte ging ich zurück. Mein Platz vor der riesigen Anzeigetafel war noch frei – kein Wunder – es waren ja auch nur noch die übrig gebliebenen „Lost Boys“ im Departure Bereich.
Ich hatte gesehen, dass an den Säulen im Departure-Bereich Steckdosen und auch USB-Anschlüsse waren um Handys wieder mit Energie zu versorgen. Mein Akku war noch bei 50% und sollte normalerweise reichen – aber ich traute dem Frieden nicht. Ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel – dort stand immer noch „Delayed“ und eine Abflugszeit von 22:25 Uhr – Zeit genug das Handy mal für eine halbe Stunde zu laden. Ich holte das Schnellladegerät und das USB-C Kabel aus dem Rucksack, stellte mich an die Säule und stöpselte alles an.
Während der Zeit war mein Blick auf die Anzeigetafel durch ein großes Werbeplakat verdeckt.
Knapp 20 Minuten später – ich stand immer noch an der Säule um mein kostbares Handy nicht aus den Augen zu lassen – schaute ich mal prüfend auf die Anzeige: „ONBOARDING“ stand da plötzlich bei meinem Flug! Was zum Teufel!
„DU BIST DER VERDAMMT LETZTE“ sagt mein Karma..
Sofort hatte ich wieder 180 Puls! Ich riss das Ladegerät mitsamt Kabel aus der Säule, stopfte das irgendwie in den Rucksack und schaute zu welchem Gate ich musste – jetzt war mein Puls im Bereich eines Kolibri unter Volllast – dort stand kein Gate sondern immer noch SDA. Ich warf mir den Rucksack über die Schulter und trabte zu dem bekannten Service Desk, wo ich vorhin den Voucher bekommen hatte. Er war menschenleer..
Mit anderen Worten: Ich hatte keine Ahnung wo ich hin musste!
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Ich weiss nicht ob Du dir das vorstellen kannst: Du bist völlig allein in einem Land, dessen Sprache Du nicht verstehst, sitzt auf einem Flughafen um den vielleicht letzten Flug des Tages zu kriegen, bist wieder mal der letzte, der das mitkriegt und weißt nicht mal wo Du hin musst. Dazu kommt, dass eine Infoschrift anzeigte, wie lange man zu den einzelnen Gates gehen musste. Gate B2 war 10 Minuten Fußweg entfernt. War das falsch, wären das 20 Minuten verlorene Zeit und der Flieger wäre weg! Die Kacke war echt am dampfen!!
Ich pokerte.
Ich ging den wenigen Menschen hinterher, die sich aus der Halle zu dem Gate der Eurowings Maschine mit dem Zielflughafen Köln-Bonn bewegten. Es war gespenstisch, weil alles bereits geschlossen hatte und nur noch die Angestellten der Reinigungsfirmen mit Ihren Maschinen durch die Gänge huschten.
Der Weg zum Terminal A war nicht so weit, aber bei meinen zum reissen angespannten Nervenkostüm war jede Treppe, die weiter weg vom Departure-Bereich führte, jeder Durchgang der nur auf einen neuen Flur führte, jede Tür, die nur einen weiteren großen Raum öffnete ohne dass der Onboarding-Schalter in Sichtweite kam, einer zuviel.
Nach geschätzten 10 Minuten wurde der Bereich größer – ich war im Terminal A angekommen und stellte mich – mal wieder als einer der letzten – an der Schlange für den Flug nach Köln-Bonn an. Die Angestellte sprach glücklicherweise Deutsch. Ich zeigte ihr meine Bordkarte und erklärte ihr, dass ich nach Düsseldorf müsste, aber keine Ahnung habe, an welchem Gate ich einchecken muss.
Sie sagte, dass das nur 300 Meter entfernt wäre, wies mir mit dem Arm die Richtung und rief sogar dort an, dass noch ein verspäteter Passagier auf dem Weg wäre.
Im Affenzahn lief ich in die Richtung und tatsächlich war ich am richtigen Gate angekommen. Kurzer Check der Bordkarte – ihr ahnt es: ich war mal wieder der Letzte.
(Bild links: Geschafft! Wenigstens schon mal im Flieger nach Hause. Zwar ist Deutschland noch tausende Kilometer weg und D’dorf noch längst nicht erreicht – aber wenigstens sitze ich schon mal im Flieger!)
Ein paar Minuten später öffneten sich die Türen und wir schlurften mit müden Füßen zum Flieger. Dass es hier nur eine Gangway gab, die man zur Einstiegsluke des Fliegers noch hochklettern musste – drauf geschissen. Hauptsache ich saß erst mal im Flieger.
Wenige Minuten später kam die Durchsage, dass alle Flug-Gäste an Bord seien und wir abheben können. Auf dem Weg zur Startbahn erklärte der Kapitän der Maschine, warum er die über zweistündige Verspätung hat: Beim ziehen aufs Rollfeld hatte der Fahrer des Schleppers einen Nagel im Vorderreifen des Airbus bemerkt.
Man schaute sich das vor Ort an und stellte fest, dass man den Reifen tauschen musste – eigentlich das komplette Vorderrad – und das geht dann mal nicht so eben. Mir war es aber völlig egal, ich wollte nur noch nach Hause und pennen – doch bis dahin war es noch ein gutes Stück.
Neben mir setzte sich dann, als ich schon glaubte, ich hätte wieder eine Sitzreihe für mich, ein seltsamer Kauz, der die ganze Zeit auf seinem Laptop an irgendwelchen Berichten schrieb, fortwährend „Scheisse, Scheisse..“ sagte und die Aufforderung der Stewardess das Notebook während des Starts bitte zuzuklappen, ignorierte – wie auch alle anderen höflichen Bitten in diese Richtung. Am liebsten hätte ich ihm sein HP EliteBook über den Schädel gezogen. Ich glaube, dass ich den verwirrten Vogel schon mal bei uns auf dem Firmen-Campus gesehen habe. Wäre nicht der erste Externe, der bei uns unter Vertrag steht und nur dummes Zeug sabbelt, weil als Blag seine Schaukel zu nahe an der Wand stand.
Der Flieger hob völlig unspektakulär ab – ohne Luftakrobatik wie der Wizz-Air Flieger ein paar Tage zuvor. Auch die Landung gelang ohne eine Ehrenrunde in Düsseldorf. Um kurz vor Mitternacht landete der Flieger auf dem Düsseldorfer Flughafen. Auf dem Weg zum SkyTrain raste der verwirrte Laptop-Typ mit stakkatohaften Schritten an mir vorbei, was seltsam Tukkenhaft aussah. „Der hat auch nicht mehr alle auf dem Zaun..“ dachte ich – da mich aber andere Fluggäste grinsend anschauten, musste dieser Gedankenschnipsel wohl doch meinen Mund verlassen haben. Naja, alte Leute reden halt schon mal mit sich selbst..
Von Düsseldorf nach Dortmund ist ein Katzensprung – ja, von wegen..
Den Weg zum SkyTrain – eine Hochbahn, die baugleich mit der an der Dortmunder Universität ist – fand ich ziemlich schnell. Ich war nicht sicher, ob mein Deutschland-Ticket auch hier galt, und auch wenn Nachts die Kontrolleure wohl alle schlafen – sicher ist sicher. Also habe ich ein Fahrticket für fast 2 Euro gekauft und auch entwertet.
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An der Endstelles des SkyTrains wurde es unnötig kompliziert. Das lag an der Beschilderung der berühmt berüchtigten DB. Es war kaum ersichtlich, welcher Zug Richtung Dortmund fährt. Zum Dortmunder Hauptbahnhof fuhren ja einige Züge (sowohl ICE als auch Regional-Express), aber ich wollte und musste ja die langsam dahin tuckernde S1 nerhmen, denn nur die hielt an der Dortmunder Uni. Vom Dortmunder Hauptbahnhof wäre ich nur wieder mit einem Taxi in meinen beschaulichen Vorort gekommen. Und nochmal 40 € wollte ich nicht für ein Taxi bezahlen. Der Plan war also von der S-Bahn Haltestelle der Uni, die nur 3 Kilometer von meinem Zuhause ist zu Fuß nach Hause zu gehen.
Ein anderer Fahrgast, der mit der Beschilderung ebenfalls überfordert war, fragte mich auf englisch ob ich ihm helfen könnte, denn er müsste zum Essener Hauptbahnhof – dort würde sein Freund ihn abholen. Da ich wusste, dass die S1 dort hält (schließlich steige ich dort aus um zu meinem Arbeitsort zu kommen) nahm ich ihn unter meine Fittiche. Fortan hatte ich also noch einen Klotz am Bein um den ich mich kümmern musste – nach einem stressigen 16 Stunden Tag nicht jedermanns Sache. Und der Tag, oder besser die Nacht, war ja noch lange nicht zu Ende..
Ich schaute auf die Anzeige über den einzelnen Gleisen. Die S1 sollte um 00:48 Uhr kommen. Es war die vorletzte an diesem Sonntag morgen. Die letzte würde um 01:48 kommen – dann wäre erst mal einige Stunden kein Bahnverkehr. Ein zugiger Bahnsteig ohne Unterstellmöglichkeit und Windschutz wäre da nicht grade der perfekte Ort um auf den einsetzenden Berufsverkehr zu warten.
Ich schnappte mir mein menschliches Anhängsel und wies ihn an, oben am Automaten noch eine Fahrkarte für die S-Bahn zu kaufen. Nach mehreren Minuten kam er winkend mit dem Ticket zurück.
Die S-Bahn kam fast pünktlich. Wie es bei der DB üblich ist, hatte die S1 5 Minuten Verspätung – aber immerhin: sie kam. Das ist ja bei der S1 nicht selbstverständlich.
Die Fahrt mit der S1 ist nur was für Bahn-Enthusiasten, die wirklich genießen, jede Minute des Lebens auf der Schiene zu sein. Dafür sorgte schon die schiere Anzahl an Haltestellen: vom Düsseldorfer Flughafen bis Dortmund Universität sind es 24 Stops. Und jeder Halt wird mitgenommen, denn selbst wenn niemand den Halteknopf drückt und niemand auf dem Bahnsteig steht um mitgenommen zu werden – die Bahn hält an…
im gemächlichen Bummeltempo ging es über Düsseldorf, Duisburg, Mühlheim, in Richtung Essen. Mein Reise-Mündel schaute mich bei jedem Halt während der Fahrt fragend an und deutete beim Stop auf die Ausgangstür. Ich schüttelte jedesmal verneinend den Kopf – nein, noch nicht..
Beim der Einfahrt zum Halt im Essender Hauptbahnhof stupste ich ihn an und deutete auf die Ausgangstür. Er bedankte sich, stand auf, drückte den Knopf, die Türen öffneten sich mit leisem zischen, er ging hindurch und verschwand in der Dunkelheit der Nacht..
Bis auf ein junges Pärchen, das einige Sitzreihen entfernt saß und sich leise unterhielt war die S-Bahn nun leer. Die Fahrt ging weiter. Nach Essen durchfuhren wir Bochum und so langsam kam mein Zuhause in Reichweite.
2 Haltestellen vor der Universität – zwischen Bochum Langendreer und Dortmund Kley – blieb der Zug auf offener Strecke stehen.
Und stand..
Und stand…
Nach knapp 10 Minuten kam aus den Lautsprechern die Durchsage, dass der Streckenabschnitt bis Dortmund Hauptbahnhof nur einseitig befahrbar wäre und man auf den Gegenzug, der aus der anderen Richtung kommt warten müsse, um den durchzulassen.
Auch das noch – es gibt Tage, da läuft alles schief..
Da die S1 Sonntags Abends nur im Stundentakt fährt dauerte es nochmal knapp 20 Minuten, bis die S-Bahn Richtung Solingen auf der linken Fensterseite vorbeifuhr. Ich kämpfte währenddessen mit einer immer stärker werdenden Müdigkeit, denn ich war nun so knapp 18 Stunden wach und der Tag war extrem stressig und Kraftraubend gewesen – und es war ja auch noch nicht geschafft.
Mit Mühe schaffte ich es die Augen bis Dortund Universität aufzuhalten und stieg aus. Die Rolltreppe um an die Oberfläche zu kommen war längst ausgeschaltet und ich musste die Stufen der Treppe hochkraxeln. Oben empfing mich die kalte Nachtluft. Morgens um halb Drei denkt man, man wäre alleine auf dieser Welt.
Wo sonst Studenten um einen rumwuseln um zu den einzelnen Vorlesungen zu hasten, war nun keine Menschenseele. Die Lichter auf dem Campus waren aus, die Gebäude dunkel. Man hörte nur das rauschen der Bäume. Irgendwo beschwerte sich ein Vogel über die Störung. Ich atmete tief ein, zog die Riemen meines Rucksacks an den Schultern fest und marschierte los – es war ja noch ein Stück bis nach Hause.
Den Weg von der Uni bis zu mir bin ich tagsüber schon häufig marschiert – Nachts aber noch nie. Ich hatte aber auch keine wirkliche Interesse auf nächtliche Eindrücke. Ich wollte nur noch nach Hause..
Die Strecke von Drei Kilometer Länge trottete ich im langsamen Tempo, denn mein Körper ging schon an die Reserven. Das Stück Pizza vom Budapester Flughafen war längst verbrannt. Als ich in meine Straße einbog und ein paar Minuten später die Wohnungstür aufschloß schaute ich nochmal auf die Uhr – es war Sechs Minuten nach Drei Uhr Morgens und ich war endlich zu Hause.
Das war der letzte Teil meiner Ungarn-Reise. Wie war es? Hat es euch gefallen auf die Reise mitgenommen worden zu sein?
Mein lieber Dr. Nerd,
Kölner nennen Düsseldorf doch „die verbotene Stadt“, oder? Die Einwohner von Pecs auch? Oder die Betreiber von Eurowings (und damit die Lufthansa)? Es wundert mich – als Münchner – nicht, dass Deine Heimreise einer Durchschlageübung glich, bis Du am Zielflughafen angekommen bist. Und doppelt freue ich mich, dass Du es rechtzeitig nach Dortmund zurückgeschafft hast, um Dir im Morgengrauen einen frischen Kaffee in Deiner frischgereinigten Maschine zu brühen.
Was die Security-Checks betrifft: Das Schicksal, sich allem zu entledigen, inklusive Schuhe, teile ich mit Dir bei jedem Flughafen. Auch ohne Herzschrittmacher. Hamburg hat stets noch einen Bonus für mich: Meine Arbeitstasche wird immer (!) einer Drogenkontrolle unterzogen, meist auch im Beisein bewaffneter Uniformierter. Okay, in der Agenturbranche sind Prosecco, Chardonnay und weißes Pulver an der Tagesordnung … aber wissentlich wurde ich nie als Kurier eingesetzt … Ich mach ja nicht alles, auch wenn ich Dienstleister bin.
Take care, mein Lieber, und auf bald!
Hallo Buddy,
Ja klar sind bei Dir etliche bewaffnete Uniformierte. Dienstleister der Agenturbranche sind dafür bekannt unberechenbar zu sein. Wer weiss, was Du mit einem Flipchart-Stift alles anstellen kannst. Zitat: „John Wick tötete 3 Gegner mit einem Bleistift..“ – weisse Bescheid, was Du mit dem dicken Ding alles anstellen kannst – und damit meine ich nicht nur Graffiti-Tags auf die Campingstuhlbezüge von Flugzeugsitzen zu malen.. :-)
Bleib gesund – wir hören, sehen und lesen uns.
Und jetzt muss ich auch schon anfangen den Monatsrückblick zu schreiben. Ich bin echt im Stress! Und das ist Gift in meinem Alter..
Na da hast du nicht zu viel versprochen, die Heimreise war ein echter Krimi. Dass du dein Brötchen abgeben musstest, muss, schon ungewöhnlich – normalerweise winken die Kontrolleure Reiseproviant durch. Schön, dass du dich nach dem Stress nochmal um eine verlorene Seele gekümmert hast, du weißt ja, keine gute Tat bleibt ungesühnt ;-) Nein im Ernst, wusstest ja, wie es sich anfühlt, komplett orientierungslos irgendwo herum zu irren. Und nein, das ist keine Frage des Alterns, sondern vielmehr der Reiseerfahrung. Und da kommen wir auch schon zu der wichtigsten Frage: wann kommt die nächste Reise? Dr. Nerd hat doch jetzt sicher so etwas wie ein vorsichtiges Reiseinteresse entwickelt, oder?
Haha.. ja von wegen! Eher das Gegenteil. Und wenn ich nach Ungarn im Sommer düse, dann werde ich den guten alten Zug nehmen. Ganz old fashioned, denn zeitmäßig ist das dann auch kein großer Unterschied.
Und Sicherheitsleute, die mich mit Gummihandschuhe betatschen – neee. Ich habe genug amerikanische Filme gesehen und weiß wo so was enden kann… :-)