Reisen

  • Dr. Nerd bei den Ungarn – ein märchenhafter Reisebericht – aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)

    der Fernsehturm von Pecs – Blick über die Baranya

    Nach dem Besuch im Biergarten den Abend zuvor schlief ich – auch aufgrund der vereinnahmten Hefe-Kaltschalen der Firma Budweiser – etwas länger. Die gut funktionierende Klima-Anlage sorgte für angenehme 19° Celsius im Apartment und blies fast geräuschlos kalte Luft in die Schlaf-Wohn-Küche.

    Das aufstehen morgens war nicht nur wegen dem Abends zuvor genossenem Alkohol schwierig – es lag auch an dem Futon, welches als Bett diente. Früher fand ich ja einen Futon Cool (oder „Knorke“ – wie alte Leute im Pott früher sagten. Und wer sich an dieses Wort erinnert, der hat wahrscheinlich aus Altersgründen seine Zähne im Becher neben dem Bett stehen) – aber das aufstehen von diesen flachen Dingern ist echt nix für in die Jahre gekommene Geriatrie-Patienten.

    Den Akt des aufstehens möchte ich nicht näher beschreiben – stellt euch einfach einen altersschwachen Seebären vor, der versucht auf eine ständig schwappende Eis-Scholle zu klettern – dann seid Ihr nah dran wie es aussah..

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)(Bild: Brot und die bekannte Fettcreme aus deutschen Landen – Frühstück kann starten. Der Kaffee war zwar nur löslicher Natur – aber dank 2 Extralöffel Pulver war das ein guter Wachmacher. )

    Nach dem ersten löslichen Kaffee mit viel Milch und noch mehr Zucker sah die Welt aber wieder besser aus. Ich schmierte mir vom gekauften Brot 2 Scheiben mit Margarine und belegte die satt mit einer ungarischen Salami, die Torsten mir im Supermarkt empfohlen hatte. Ja, das war lecker, fand der Magen und hörte auf miesgrämig zu knurren. Dermaßen gestärkt war ich bereit für neue Abenteuer – die nicht lange auf sich warten liessen..

    Den Abend zuvor hatte Torsten mir nämlich gesagt, dass er mit mir auf den Fernsehturm von Pecs wollte, damit ich das Umland von Pecs – die Baranya – mal sehen konnte. Um kurz vor 9 Uhr fragte Torsten über Whatsapp nach, ob ich wach und bereit wäre für einen weiteren spannenden Tag – klar, war ich. Hömma – ich komm aus dem Ruhrpott, Abenteuer ist mein zweiter Vorname!

    Ich watschelte also die paar Meter zu ihm, wir brachten noch seinen Sohn zum Violinen-Unterricht und danach setzten wir uns in sein Passat Coupe, wo ich mir tagelang aufgrund des niedrigen Daches ständig beim einsteigen den Bumskopf am Dachscheller angeballert hatte. Nach dem x-ten Male entfuhr es Torsten beiläufig, dass seine Frau den Sitz so hoch eingestellt hat, damit Sie besser sieht – man den aber auch tiefer stellen kann. Nachdem ich den Sitz dann ungefähr einen halben Meter tiefer runtergekurbelt hatte, passte sogar eine ganze Handfläche zwischen mein lichtes Haupthaar und den Dachhimmel. Sogar ein – und aussteigen klappte, ohne dass Passanten auf der Straße herbei eilten und sich anboten mir aus dem Auto zu helfen.

    Ein Blick vom Fernsehturm..

    Die Fahrt zum Fernsehturm ging aus der Stadt hinaus eine geschwungene Serpentinen-Straße hoch. Mein Rennfahrer-Herz meldete sich und ich meinte, dass dies eine coole Rennstrecke wäre. Torsten bejahte das – tatsächlich ist diese Strecke eine Wertungsprüfung für die in Ungarn statt findende Mecsek-Rallye.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)(Bild: der Fernsehturm von Pecs ist die beste Stelle um sich das Gebiet der Baranya rund um Pecs anzuschauen. )

    Am Wochenende ist der Turm ein begehrtes Ausflugsziel – als wir da waren, war es leider eine halbe Baustelle, denn es werden da nagelneue Nebengebäude gebaut. Dort soll eine komplett neue Gastronomie entstehen und – wenn ich das richtig verstanden habe – eine Sportstätte. Das hatte aber auch etwas gutes: Parkplätze waren genügend vorhanden.

    Also wieder aus dem Auto rausgepellt und einen neu gepflasterten Weg zum Turm hoch. Der Turm ist 1973 fertig gestellt worden und damit einige Jährchen jünger als ich – aber er wirkt beim näheren hinsehen echt vergammelt. An vielen Stellen platzt die weiße Farbe ab, man sieht teilweise rostige Moniereisen aus dem Beton ragen, an manchen Stellen sind tiefe Risse im Boden. Auf der offenen Aussichtsplattform sollten Menschen mit Höhenangst und aus Deutschland bekannten Sicherheitsvorkehrungen mit unüberwindbaren Geländern nicht gehen. Wer sich von dem Turm in den Tod stürzen möchte, der braucht sich nur weit genug über das mit wenigen Schrauben angetüddelte Geländer beugen – den Rest erledigt die Schwerkraft und bröckeliger Beton.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)

    (Bild: dank 10fach Zoom meines Samsung S23 Ultra habe ich den Förderturm des Zechengebietes mal etwas näher herangeholt. )

    Ich versuchte mich damit zu beruhigen, dass der Turm bis jetzt durchgehalten hat, nicht zusammen zu brechen – da würde er es mit etwas Glück auch noch solange schaffen, bis ich das Areal weit genug hinter mir gelassen habe.

    Da Torsten mit seiner Familie mehrmals im Jahr dort hin fährt hatte er Dauerkarten, die aussahen wie eine Telefonkarte. Damit konnten wir ohne Eintritt zu bezahlen den Turm betreten. Mit einem Aufzug wollten wir erst zur Aussichtsplattform und danach ins Restaurant.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)(Bild: die „kleine Josefs-Aussichtsplattform – erbaut 1908“ – so glaube ich, ist die Übersetzung – ist der Standort des darauf errichteten Fernsehturms. Leider ist er von Sozialisten gebaut worden. Das heißt: mieses Baumaterial in allen Bereichen)

    Es dauerte etwas, bis der Aufzug kam – ich war überrascht, als sich die Metalltür öffnete. Es gibt dort tatsächlich noch einen Fahrstuhlführer. So etwas habe ich in Deutschland schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen. Und bei der Wahl zwischen 2 Haltepunkten – nämlich Erdgeschoss und Aussichtsplattform auch eher überflüssig. Aber vielleicht erzählte der Mann während der Fahrt interessantes über den Turm. Mein Freund unterhielt sich jedenfalls mit ihm. Ich verstand wie immer kein Wort.

    Auf der Aussichtsplattform wehte ein kräftiger Wind. Klar, der Fernsehturm steht frei mitten in der Landschaft auf dem Berg Misina, der knapp 500 Meter hoch ist  (also eher ein großer Hügel) – pack da noch mal die 170 Meter bis zur Plattform drauf – da zieht der Wind schon ganz ordentlich an den Klamotten.

    Die Baranya – die Gegend um Pecs..

    Die Aussicht war aber tatsächlich schön. Torsten – quasi als Einheimischer – erzählte mir etwas von der Baranya (die Gegend um Pecs) und zeigte mir die markanten Orte. Auffallend war, dass die Gegend sehr grün war und dicht bewaldet. Torsten zeigte mir auch das Weinanbaugebiet, das er mir einen Tag später zeigen wollte.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)(Bild: Blick auf Pecs. Das Wetter war leider etwas diesig, deshalb ist die Fernsicht ziemlich eingeschränkt. Bemerkenswert ist die dichte Bewaldung zwischen Pecs und dem Turm, die sich dazu über das ganze Gelände und die Hügel im Umfeld ausdehnt.)

    Der Plan sah aus, dass wir mit einem alten Zug (Torsten nannte die liebevoll „Zeitmaschine“) – der Begriff Bimmelbahn trifft es ziemlich gut – dorthin fahren wollten. Das Wetter machte uns dann aber einen Strich durch die Rechnung, denn an dem Tag regnete es stark und wir fuhren nur einmal schnell mit dem Auto durch das Gebiet der Weinberge und Weinkellereien. Diese Tages-Exkursion wollen wir beim nächsten Besuch nachholen.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)(Bild: Der Fernsehturm ist sowohl außen als auch innen in einem nicht besonders anschaulichem Zustand. Gesprungene Fenster mit monatelang nicht geputzten Scheiben, die schon fast wie Milchglas aussehen und blind wirken und auf den niedrigen Sockeln an der Fensterfront Lachen mit rostigem Wasser, für das sich niemand zuständig fühlte, es dort weg zu wischen. Ebenso, ein schon länger dort stehendes fast leeres Glas mit dem Rest einer undefinierbaren Flüssigkeit drin. Nee… Wohlfühl-Ambiente geht anders – und mit dem Personal sollte man mal dringend ein Gespräch über das Thema „Sauberkeit“ führen..)

    Nachdem wir auf dem Turm einmal ringsherum gegangen sind, gingen wir über eine Treppe ein paar Stufen ins Turmrestaurant. Der desolate Zustand des Turmes offenbarte sich auch dort.

    Es ist eigentlich schade, dass man das Teil so verkommen lässt. Und ein Alter von 50 Jahren ist ja für ein Gebäude aus Beton eigentlich ein Klacks (außer man ist eine Autobahnbrücke auf der A45. Da weiß man, dass der Tag kacke endet, wenn der Mann vom Abriss-Unternehmen mit einer Kiste voller Sprengstoff auftaucht).

    Der Kaffee war zwar lecker, aber die Bedienung hatte scheinbar wichtigere Aufgaben zu tun, als mal für etwas Sauberkeit in dem Laden zu sorgen. Ich bin sicher nicht „Meister Propper“ (auch wenn ich fast so aussehe) – aber selbst mein nur durchschnittlich entwickelter Junggesellen-Schmutz-Sensor bimmelte Alarm, als ich mir das Ambiente mal etwas genauer ansah.

    Die Tische und Stühle schienen ziemlich neu – ebenso der Bodenbelag. Das war es dann aber auch leider schon mit der Herrlichkeit. Die Fenster des Restaurants waren schon ewig nicht mehr von außen geputzt worden und das Glas schon fast blind. Einige Sprünge in den Scheiben ließen vermuten, dass hier entweder beim Bau gepfuscht wurde, oder durch starke Temperaturschwankungen, oder Materialspannungen zwischen den 2 ungleichen Materialien dieser Schaden aufgetreten ist – ich vermutete stark ersteres. So wirklich schien sich aber niemand an den Rissen zu stören.

    Auch an Haustieren der besonderen Art herrschte kein Mangel: Aus den Fensterrahmen kletterten andauernd „Stink-Käfer“, liefen ein kurzes Stück über die Scheibe um dann wieder die Deckung der metallenen Festung aufzusuchen. Aufgrund der Häufigkeit und den verschiedenen Orten des auftauchens vermutete ich, dass dort ein ganzes Volk der Stinkwanzen heimisch war. Der Anruf bei einem Kammerjäger schien mir mehr als überfällig.

    Ebenso störte sich niemand an dem Ambiente des Restaurants, oder besser dessen Reinlichkeit. Ringsum an der Fensterfront war ein niedriger Sockel von vielleicht 30 Zentimetern Höhe, indem sowohl Klimaanlagenausläße als auch Heizkörper verbaut waren. Die Ventile der Heizkörper schienen undicht zu sein, denn kleine Pfützen mit rostigem Wasser standen dort (anhand der getrockneten Wasserränder gewiss schon länger) und warteten auf einen Lappen zum aufputzen. Putzen schien aber leider nicht die Kernkompetenz der Bedienung zu sein, denn auch ein fast leeres Glas mit einer undefinierbaren Flüssigkeit, welches verloren neben einer Wasserlache stand, wartete vergeblich aufs abräumen. Dafür machte Sie lieber Party hinter dem Tresen und übte Dance-Moves. Bei google hätte es dafür einen mickrigen Stern gegeben und den vernichtenden Kommentar „sie war bemüht“…

    Das heruntergehen durch das Treppenhaus des Turmes um etwas Sport zu treiben, ging leider nicht – der Zugang zum Treppenhaus war durch Scherengitter und Ketten gesperrt. Auch Kisten und Baumaterial schien dort zwischen gelagert zu sein. Sofort fielen mir Katastrophenfilme ein und der Satz, der in jedem deutschen Fahrstuhl klebt „AUFZUG IM BRANDFALL NICHT BENUTZEN!“ – in Ungarn ist man im Umgang mit Gefahren wohl relaxter als bei uns.

    Die Speisung der Armen..

    Wir fuhren nach Pecs zurück, denn Torsten wollte mir noch etwas zeigen, dass es in Ungarn gibt, sich aber auch in Deutschland gut machen würde.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)(Bild: im „Fiaker“ einer Kneipe, Gaststätte – so genau kann man das nicht trennen, gibt es täglich ein Menü für kleines Geld. Die Möglichkeit für ein Taschengeld satt zu werden nutzen viele Ungarn gerne. Und häufig.)

    Der Hintergrund ist, dass Torsten und seine Frau Lilla sehr eng getaktete Tage haben. Kinder zur Schule bringen, abholen, Arbeit, Kinder zum Training bringen – da ist man froh, wenn man nicht kochen muss, denn das kostet Zeit, die man manchmal nicht hat.

    Da gibt es eine schöne Einrichtung, die gerne von den Ungarn benutzt wird.

    Gaststätten bekommen Steuervergünstigungen, wenn Sie täglich ein wechselndes Menü für umgerechnet 3 € anbieten. Das ist dann entweder Vorspeise und Hauptspeise – oder Hauptspeise und Nachtisch. Dazu gibt es noch ein nichtalkoholisches Getränk. Eigentlich ist dieses Konzept dazu gedacht die ärmere Bevölkerung mit wenigstens einer warmen Mahlzeit am Tag zu versorgen, doch es wird auch von besser verdienenden gerne angenommen. Es ist sogar möglich sich das Essen einpacken zu lassen. Torsten hatte für seinen größeren Sohn zwei große Dosen mitgenommen, die er dort füllen ließ.

    An diesem Tag bestand das Menü aus einer Vorspeise in Form einer Mehrfrucht-Kaltschale, die aufgrund der bläulichen Färbung für eine Blaubeer-Kaltschale gehalten werden konnte, aber durch Zugabe von Johannisbeeren, Brombeern und Erdbeeren etwas mehr Frucht enthielt (Na gut – die Erdbeeren waren aufgrund Farbe und Konsistenz eindeutig erkennbar aus der Dose – aber man muss ja beim kochen auch die Kalkulation der Zutaten etwas im Blick haben).

    Mir hätte die große Schüssel mit Kaltschale schon gereicht, aber es gab ja noch das Hauptgericht. Das war ein großer Teller mit Reis und 2 Stücke gebratenes und paniertes Schweinefleisch, mit einer Füllung aus Kräutern und Frischkäse. Es erinnerte von der Machart her, an das hier bekannte Schnitzel „Cordon Bleu“ – außer dass Käse und Kochschinken durch Schmand und Kräuter ersetzt wurde. Ich fand den Geschmack aber interessant und auch lecker und werde das in Zukunft bei mir zu Hause sicherlich häufiger so zubereiten. Leider gab es zum Reis keine Soße – das war ein kleiner Minuspunkt. Aber es handelte sich ja auch nicht um ein 5 Sterne-Menü.

    In Ungarn habe ich aber noch ein anderes leckeres Rezept gefunden – das werde ich demnächst mal im Blog zum besten geben.

    Den Nachmittag verbrachte ich wieder in der Pecser City in dem Straßencafe vom Vortag. Die Passanten zu beobachten macht einfach Spaß..

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 4)(Bild: so eng sind eigentlich alle Straßen und Gassen in der historischen Altstadt von Pecs. Für verwöhnte Wessis, die gewohnt sind 2 Fahrspuren zu haben, eine echte Ungewöhnung.)

    Zum Abendessen war ich bei Torstens Familie eingeladen. Seine Frau Lilla hatte auf dem Markt frische Lebensmittel eingekauft und einige nette Dinge daraus gezaubert. Das kaufen von regionalen Lebensmitteln auf dem Markt ist in Ungarn noch üblicher als hier, wo man lieber in Supermärkten für teures Geld herangekarrte Lebensmittel aus der ganzen Welt kauft um die im Kühlschrank verrotten zu lassen und nach 2 Wochen in der Bio-Tonne entsorgt.

    Was es zu Essen bei Lilla gab, verrat ich aber nicht – das werde ich als Rezept demnächst veröffentlichen – und es war total lecker..

    Nach dem Essen gingen wir alle auf das Fest. Den Abend sollte eine Blues-Band auf der Bühne vor der größen Moschee spielen. Wir aßen davor erst mal in einem Schnellrestaurant noch etwas. Ich entschied mich für einen Döner – ein Fehler, denn nach dem Essen sah ich aus wie ein Baby nach einer Spinatschlacht. Überall war die Sauße aus dem Teigmantel geflossen, hatte meine Händer überflutet und von außen die Pide aufgeweicht. Dadurch plumpsten auch die übrigen Bestandteile des Döners durch den löchrigen Teig auf den Tisch. Es war eine Riesen-Ferkelei! Ich brauchte 3 Servietten um mich zu säubern und wieder Strassentauglich auszusehen.

    Aus dem Schnellrestaurant brauchte man nur aus der Tür zu gehen und man war auf dem Marktplatz. Wir fanden dann echt schnell einen Platz für uns 5 auf den Bänken, die links und rechts von langen Tischreihen standen. Die Blues-Band fing auch kurz darauf mit einem Sound-Check an, der mindetens eine halbe Stunde dauerte – bei einer ohrenbetäubenden Lautstärke, die wirklich unangenehm war.

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    Nach dem Soundcheck fing die Band an zu spielen – nach nicht mal 2 Liedern stieg dichter Qualm von der Bühne auf und die Musik brach abrupt ab. Die Nebelmachine hatte wohl ihren ganzen Inhalt frei gegeben und die Musiker sahen nichts mehr. Aufgrund der Lautstärke brachen wir aber nachdem die Band die technischen Problemen im Griff hatte auf. Die beiden Söhne mussten ins Bett.

    Nachdem Torstens Frau mit den Kindern nach Hause gegengen war, gingen Torsten und ich dann in „seine“ Kneipen – das Publikum bestand aus vielen jungen ungarischen Studenten, die richtig Party machten. Das erinnerte mich an meine Zeit auf Studentenpartys, die ähnlich exzessiv mit Alkohol und Sex gefüllt waren.

    Na gut, ich habe nie studiert – aber das heisst ja nicht, dass man nicht auf die Studentenpartys gehen darf, wenn man weiß, wie man dort reinkommt..

    Oder wie Papa sagte: „Ein guter Jäger weiss, wo das Wild steht“..

    Ich fühlte mich da jedenfalls wesentlich besser aufgehoben als in den angesagten In-Lokalen am Pecser Marktplatz mit den affektierten Medizin-Studenten. Echt jetzt: Ein Publikum, das nur wichtig aussehen will und mit der Rolex am Handgelenk wackelt, um weibliche Nacktschnecken zu ködern – das kann ich auch jeden Tag in der Dortmunder City sehen..

    Aber hier war richtig Leben und Musik in der Bude. In Zweierreihen am Tresen stehen – die Zeiten sind in der Dortmunder Nachtszene lange vorbei! Auch dieser Abend endete mit der Vernichtung von Brauerzeugnissen aus tschechischen und irischen Brauereien um das überwiegend jugendliche Publikum vor übermäßigem Alkoholkonsum zu schützen.

    Das war auch leider schon der letzte Abend in Pecs, denn einen Tag später ging es auch schon wieder zurück nach Dortmund.

    Das war der vierte Teil meiner Ungarn-Reise. Ich hoffe, er hat auch gefallen. Und ich verspreche, der letzte Teil ist der spannendste und nervenaufreibenste – das war die Heimreise jedenfalls für mich!

     

     

  • Dr. Nerd bei den Ungarn – ein märchenhafter Reisebericht – aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)

    Ankunft in Budapest – Sonne! Die Haare liegen..

    Auf dem Flug passierte nichts außergewöhnliches. Während der Startphase war es ganz interessant aus dem Kabinenfenster zu schauen – aber da meine Sitzreihe bei den Notausgängen genau über den Tragflächen war, sah ich hauptsächlich das Düsen-Triebwerk und die darauf angebrachten englischen Warnhinweise „NO STEP“ und „NO GRAB“, die besagten, dass man dort nicht drauf treten soll und nicht als Handgriff benutzen – ich nahm mir (als beim Start von der Stewardess vergatteter Rettungsassistent) vor, im Falle eines Absturzes darauf zu achten und Passagiere, die sich bei Evakuierungsversuchen nicht an die Beschilderung halten sollten, ordentlich zu maßregeln – so wie es für einen ordnungsliebenden Deutschen halt üblich ist..

    Solange der Airbus unter den Wolken war, konnte man noch sehen, wie die Häuser kleiner wurden und sich die Landschaft langsam unter einem weg bewegte – nachdem die dichte Wolkendecke durchflogen war und die Wolken den Blick nach unten verhinderten, wurde es schnell langweilig.

    Dazu fing mein Hinterteil an, weh zu tun. Das stundenlange hocken auf der unbequemen Flughafen-Sitzbank und nun das sitzen auf besseren Camping-Stühlen im Flieger liessen mein Gesäß protestieren.

    Gut, dass die restliche Flugdauer überschaubar war – und der Landeanflug schon eingeleitet. Aus dem Fenster konnte man den großen Budapester Flughafen schon sehen. Der Pilot landete aber nicht direkt in Flugrichtung sondern flog einmal querab zum Flugfeld, flog also an der Landebahn vorbei, machte hinter dem Flughafen eine enge Wende um 180 Grad um dann den Endanflug und die Landung einzuleiten. Nach dem Kampfjet-Start in Dortmund überkam mich langsam das Gefühl, dass im Cockpit eine Wette läuft, wie viele Passagiere mit grüngefärbten Gesichtern aus der Maschine wanken..

    Die Landung und das Aufsetzen verliefen aber unspektakulär – warum Passagiere klatschen, wenn ein Flieger heil unten ankommt versteh ich allerdings nicht – das sollte man eigentlich erwarten. Ich applaudiere ja auch nicht, wenn mir der Kellner in einer Gaststätte ein Getränk bringt ohne es vorher zu verschütten – derlei übertriebene Beifallsbekundung könnte auch falsch verstanden werden..

    Als der Flieger seine Parkposition eingenommen hatte wurde es eng im Gang. Alle standen auf (jedenfalls diejenigen, die einen Platz direkt am Gang hatten – die weiter in Richtung Fenster saßen mussten erst mal warten, weil im Gang gar kein Platz mehr war), fummelten an den Gepäckbehältern über den Sitzen und zerrten ihre Rucksäcke, Beutel, Tüten, oder was Sie sonst als Handgepäck bei sich hatten aus den über den Sitzen angebrachten Ablagefächern. Es dauerte ein paar Minuten, bis sich die Schlange in Bewegung setzen konnte, weil die Kabinentüren noch geschlossen waren und die mit den Fensterplätzen waren die letzten, die aufstehen konnten um ihr Gepäck zu schnappen und endlich aus der fliegenden Konservendose an die frische Luft zu kommen..

    Dass ich wieder einer der letzten war, der aus dem Rumpf des Flugzeugs auf die Gangway trat, ist klar – irgendwie zieht sich das ja wie ein roter Faden durch die ganze Reise..

    Sofort legte sich eine drückende Hitze um mich. Der Hoodie und die leichte Sommerjacke die morgens um vier Uhr in Dortmund bei etwas über 10° Celsius noch Sinn machten, waren viel zu dick und absolut unnötig bei den hochsommerlichen Temperaturen von knapp 30°. Aufgrund der Enge im Flieger hatte ich den Hoodie aber nicht ausziehen können ohne mir die Schulter zu verrenken. Nach knapp 200 Meter schweißtreibendem Fussweg über das Rollfeld war ich in der großen Empfangshalle und suchte mir erst mal einen Platz um wenigstens die Jacke noch in den Rucksack zu stopfen damit ich beim verlassen des Geländes nicht eine Spur von Schweisstropfen hinterlasse und mir aus Sicherheitsgründen eine Reinigungskraft ein Schild mit „Caution Wet Floor“ hinterher trägt.

    Ich war grade dabei den Reißverschluß des Rucksacks wieder zu schließen, als mein Handy klingelte..

    Es war der Fahrer des Shuttle-Services „Travel4You“ der mich in gutem Deutsch fragte ob ich schon gelandet wäre? Ich entgegnete, dass ich grade in die Halle gekommen wäre und nun auf dem Weg zum Ausgang bin – aber mich erst mal orientieren muss, wo der ist. Der Fahrer entgegnete, dass er am Ausgang warten würde und ein weißes T-Shirt trägt – also machte ich mich auf die Socken und orientierte mich an den Schildern mit der englichen Aufschrift „EXIT“ – die ebenfalls angebrachte Beschriftung in Landessprache war weder verständlich noch für ungeübte Zungen aussprechbar. Ich vermutete aber, dass die Aussprache aneinander gereihter Zisch-Laute nach dem dritten oder vierten Bier für Ungeübte einfacher würde.

    Der Weg zum Ausgang zog sich hin – Treppauf – Treppab – hier durch eine Glastür, dort durch eine Passage – auf dem riesigen Budapester International kann man jede Menge Meter machen. Mehrere Minuten vergingen, bis ich plötzlich durch eine Milchglastür in den Ausgangsbereich kam. Dort standen etliche Fahrer diverser Fahrdienste, die ihre Schäfchen einsammeln wollten. Einige hatten selbstgemalte Pappschilder, andere Notizblöcke in der Hand.

    Ich schaute mich um – ja, da stand ein Mann mit einem weißen T-Shirt und es hatte auch das Firmenlogo von „Travel4You“ aufgedruckt. Ich ging auf ihn zu und sagte „Hallo“ – „bist Du Peter?..“, fragte er. „Ja..“, entgegnete ich. „Dann lass uns fahren, die anderen sind schon am Auto..“ – war ja fast klar, dass ich mal wieder der letzte war.

    Wir gingen zu einem Mini-Van im Parkbereich – ob die anderen Fahrgäste im gleichen Flieger wie ich saßen, konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen – ich hatte weder in Dortmund in der Departure-Zone noch während des Fluges großartig auf andere Leute geachtet. Die 7 anderen Fahrgäste erschienen mir aber fremd. Vielleicht waren Sie mit einem anderen Flieger gekommen – jedenfalls hatten wir alle das gleiche Ziel – Pecs.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)(Bild: der ungarische Forint ist die Landeswährung in Ungarn. Die hier abgebildeten 9.000 Forinth wirken zahlenmäßig zwar spektakulär, entsprechen aber grade mal etwas über 20,00 €. )

    Der Fahrer fragte mich, wie ich den Transfer zahlen wollte Bar oder mit Karte – da ich keinen einzigen Forint (Anm. die ungarische Währung) bei mir hatte, zahlte ich mit meiner Eurocheque-Karte. Das zahlen mit Karte ist in Ungarn übrigens wesentlich verbreiteter als in Deutschland – jeder Laden, jede Kneipe – eigentlich wirklich jeder hat ein mobiles Kartenlesegerät – so auch mein Fahrer von „Travel4You“.


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    Nur noch 2 Stunden Autofahrt – dann ist Pecs erreicht..

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)Es dauerte ein paar Minuten, bis wir das Flughafengelände verlassen hatte und auf die Autobahn konnten – auf dem Weg dahin standen hinter einem Maschendrahtzaun auf der rechten  Seite einige ausgemusterte Propeller-Flugzeuge, die vor sich hin gammelten und schon bessere Tage gesehen hatten. Anhand der Beschriftung hielt ich die für frühere russische Maschinen. Ich konnte die kyrillischen Buschstaben aber nicht übersetzen, obwohl ich vor einigen Jahrzehnten mal (noch in schwarz-weiss) im Schulfernsehen ein paar Lektionen russisch gelernt hatte. Vieles war mir mittlerweile entfallen – dass „Frühstück ist fertig“ – завтрак готов (zavtrak gotov) heisst, wusste ich noch – half mir aber hier nicht wirklich weiter..

    Auf der Autobahn tauchten kurz nach dem Flughafen riesige Hallen auf, die alle aussahen, als hätte man sie grade erst dort gebaut. Darunter auch viele bekannte deutsche Firmen. Etliche Kilometer reihte sich Firmengelände an Firmengelände – eines größer als das andere.

    Das hat handfeste finanzielle Gründe: in Ungarn ist das Lohn-Niveau viel niedriger als in Deutschland – einen Kündigungsschutz für Mitarbeiter gibt es dazu praktisch nicht, es gehört aber zur EU was die Zoll-Bestimmungen vereinfacht und der Budapester Flughafen wird zu einem der weltgrößten Frachtflughäfen ausgebaut. Ist doch klar, dass man diesen Standort-Vorteil mitnimmt..

    Auf der gut ausgebauten und ziemlich leeren Autobahn ging es zügig Richtung Pecs. Landschaftlich erinnerte die Strecke teilweise an die Strecke Dortmund-Frankfurt auf der A45 –  mal Wälder, mal Felder. Mit anderen Worten: ziemlich eintönig.

    Ich sass hinten im Mini-Van und trotz eingeschalteter Klima-Anlage war es nicht wirklich kühl im Wagen – ich hätte besser auch noch den dicken Hoodie ausziehen sollen und um den Bauch binden, denn in den Rucksack hat er nicht mehr gepasst, als ich die Jacke dort hinein gestopft hatte. Dafür war es jetzt aber zu spät – bei der Enge im Auto war es nicht möglich und dem Fahrer bitten dafür extra anzuhalten, fand ich den anderen gegenüber etwas deplatziert – ich hatte durch mein trödeln im Flughafen ja schon alle aufgehalten.

    Die Sonne brannte unangenehm heiß von meiner Seite durch die Scheibe und die eine Reihe vor mir sitzende Frau versuchte das links von ihr sitzende Kind mit einer weißen Strickdecke vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Sie knotete eine Ecke an die vordere Kopfstütze des Fahrers und legte das andere Ende über ihre eigene Kopfstütze, Da sie es aber dort nicht richtig befestigen konnte rutsche die Decke andauernd wieder herunter. Beim dritten mal nahm ich ihr das Ende ab, machte aus dem Ende einen Knoten schob den unter den Schonbezug der Kopfstütze – das hielt. Die Mutter lächelte mich dankbar an und ich kam mir vor wie ein Pfadfinder..

    Die Strecke von 200 Kilometern fuhr der Fahrer ohne zwischendurch anzuhalten in knappen 2 Stunden und ich war auch froh, dass er nicht noch zwischendurch anhielt – ich wollte eigentlich nur noch in mein Apartment, alle Brocken in die Ecke werfen und mal ein paar Stunden relaxen.

    Nachdem wir von der Autobahn auf eine Landstraße abgefahren waren, neigte sich die Fahrt dem Ende zu, denn es ist nicht weit von der Autobahn bis nach Pecs hinein. Es waren vielleicht knapp 10 Minuten Fahrt über die Landstraße bis zum Stadtzentrum.

    Auf dem Weg dahin sahen wir zuerst mal ein dominantes Kraftwerk, das optisch so wirkte, als wäre es größer als die ganze Stadt, kurz darauf erschienen die ersten Gewerbegebiete, doch die dort ansässigen Firmen schienen verlassen und wirkten alt und schäbig. Sofort musste ich wieder an die frühere DDR denken und an meine ersten visuellen Begegnungen mit den Bausünden des Sozialismus.

    Nur wenige Minuten später waren wir auf der Hauptstraße in Richtung Zentrum und der Fahrer bog in eine Seitenstraße ab. Einmal noch links, einmal rechts – und der Fahrer hielt an, stieg aus und machte die Seitentür auf. Er sagte dem jungen Pärchen, welches neben mir saß, dass die bitte aussteigen – und meinte dann zu mir: „Peter hier ist dein Ziel“ und sagte auch noch, dass der Eingang zu meinem Apartment wohl um die Ecke sei.

    Ich nahm meinen Rucksack aus dem hinteren Frachtraum, der Fahrer schloß die Ladetür, lud das Pärchen wieder ein, fuhr los und ich stand etwas hilf- und orientierungslos auf der Straße. So musste sich ungefähr ein ausgesetzter Hund auf der Autobahn-Raststätte fühlen…

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)

    Bild: der erste Blick auf Pecs ist etwas unsexy, weil sich das riesige Heizkraftwerk im Bild in den Vordergrund stiehlt.

    Wir fahren hier auch von der unattraktivsten Seite hinein – die später noch auftauchenden Ruinen in ehemaligen Gewerbegebieten schreien förmlich: „DDR Zwei Punkt Null“ und zeugen von den etlichen Jahren Sozialismus..

    Der Rest der Stadt entschädigt aber für die eher mittelmäßige optische Begrüßung von Pecs.

    das einchecken in mein Apartment – ein Saunagang mit Aufguss..

    Na gut – der Vergleich mit dem Hund hinkt etwas – ich war ja nicht an eine Leitplanke angebunden. Ich kam mir eher vor wie ein frisch aus dem Raumschiff gekletterter Alien auf dem Planeten Erde – nicht der Sprache mächtig, mit den Bezeichnungen auf den Strassenschildern konnte ich auch nicht wirklich was anfangen – dazu brannte mir die Sonne unangenehm auf den Pelz. Eine äußerst lebensfeindliche Umgebung für friedliebende Außerirdische. Also bloss schnell ins Apartment – aber wo ist das? Ich ging erst mal zur Ecke und schaute auf das Straßenschild und verglich den Straßennamen mit der aus der E-mail von Booking.com – das schien eigentlich soweit richtig.

    Dann suchte ich auf dem Handy die Mail des Apartment-Vermieters. In der stand auf englich und ungarisch wie man in das Apartment mit der Nummer 11 kommt: Zuerst die Zahl 11 eintippen, dann die Taste mit dem Schlüssel-Symbol, dann den vierstelligen Code 1234 zur Türöffnung.

    Ich ging die Treppe hoch, stellte mich vor den Kasten, fing an zu tippen: 1-1-Key-1-2-3-4.. ERR! (Ihr ahnt es – „ERR“ bedeutet „Error“, oder auf  gut deutsch „Fehler“) Es piepte und der Code war anscheinend falsch. Kein Türsummer, der die Tür entriegelte war zu hören. Also nochmal: 1-1-Key-1-2-3-4… und wieder piepste es nur und es erschien ERR. Die Eingangstür blieb verschlossen und ich durfte weiter in der Hitze braten..

    Tja, das ging ja mal gleich gut los! Was nun? War ich am falschen Eingang? Vielleicht sogar in der falschen Straße? Glücklicherweise hatte ich einen Telefon-Joker und rief Torsten an.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)

    Bild: in dieser Straße „Lyceum utca“ ist mein Apartment. Die Hausnummer ist 15. Das Wort „utca“ bedeutet eher Gasse oder schmale Strasse – „ut“ (also ohne „ca“) wird für eine breitere Strasse oder Hauptstrasse benutzt – so hat es mir wenigstens Torsten erklärt.

    Torsten war grade auf dem Weg um seinen Sohn abzuholen, aber da er schon auf dem Rückweg war, dauerte es nur wenige Minuten bis sein Auto in die Gasse einbog und er mir helfen konnte, Zugang zum Haus zu erlangen, damit ich mich endlich von den schweißtreibenden Reiseklamotten befreien kann – die immer größer werdende Hitze machte mich doch langsam mürbe und ich merkte, dass mein T-Shirt unter dem Hoodie, den ich immer noch nicht ablegen konnte und dem vollen Rucksack, den ich auf dem Rücken trug immer feuchter vom Schweiss wurde.

    Ich gab Torsten das Handy mit der Mail und er las die – fand aber keinen Fehler – versuchte am elektronischen Türschloß ebenfalls die gleichen Schritte wie ich: 1-1-Key-1-2-3-4.. es kam wie es kommen musste: es piepste und auf dem Display erschien ERR..

    Bild: In Ungarn ist es üblich statt mit Schlüsseln – die es natürlich auch gibt, Türen mittels eines PIN-Codes zu öffnen. Links ist die Nummer der Wohnung, bzw des Apartments und die wird zuerst eingetippt – dann die Taste mit dem Schlüssel-Symbol und dann der Pin-Code. Schon ist die Tür entriegelt – wenn der Code stimmt..

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)

    Waren wir am falschen Eingang? Die Apartmentnummer 11 stimmte, aber vielleicht gibt es die auch an einer anderen Eingangstür? Wir gingen um die Straßenecke, aber am nächsten Eingang gab es keine Nummer 11. Das war es also schon mal nicht.

    In der Mail war eine Telefonnummer angegeben. Torsten rief dort an, aber an der anderen Seite nahm niemand den Hörer ab.

    Torsten kannte aber den Besitzer des Hauses, das war sein Nachbar (wie auch Torsten nur 3 Minuten Fußweg von meinem Apartment entfernt mit seiner Frau Lilla wohnte) und der hatte noch ein anderes Haus mit Apartments – vielleicht hatte sich der Vermieter mit dem Haus vertan?

    Also marschierten wir zu dem anderen Haus – mit dem gleichen Ergebnis: es gab dort kein Apartment mit der Nummer 11. Also bei sengender Mittagshitze wieder zurück zu der Ecke an der mich der Fahrer abgesetzt hatte – die war dann wohl doch richtig.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)Das war so ungefähr der Moment, wo Ich mir wünschte, ich hätte Dorothys rote Glitzer-Pömps aus „The Wizard of Oz“ an den Füßen – egal wie tuntig die an mir aussehen sollten. Ich wollte nur noch 3 mal die Hacken der Zauberschuhe zusammenschlagen, „there’s no place like Home“ flüstern und in meinem kuscheligen Bettchen bei herrlich erfrischend ans Fenster prasselnden Regen aufwachen..


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    In dem Moment schellte  Torstens Handy. Sein Nachbar meldete sich zurück und Torsten schilderte mein Problem auf ungarisch. Der Sprache konnte ich nicht folgen aber anhand der Gestik schien Torsten der anderen Seite zu erklären, dass der Code falsch war, testete nochmal die Nummer, die er von der anderen Seite vorgelesen bekam und bekam den gleichen Fehler. Der Vermieter gab ihm daraufhin den Pin-Code eines anderen Apartment, der die Eingangstür unten öffnete.

    Na, wenigstens schon mal im kühlen Treppenhaus – eine Treppe hoch (mein Apartment war im ersten Stock links). Auch dort war ein digitales Schloss mit Zehner-Tastatur, aber kleiner und moderner als das recht klobige Ding draußen. Hier funktionierte der Code, den ich per Mail erhalten hatte. Er unterschied sich aber auch von dem der unteren Eingangstür.

    Im Zimmer lag der Apartment-Schlüssel dann auf einem klappbaren Tisch griffbereit.  Puh.. endlich die Brocken in die Ecke pfeffern und mal durchatmen..

    Tosten und ich verabredeten uns für etwas später – ich musste ja noch Lebensmittel und Dinge für den persönlichen Bedarf kaufen. Beim Einkauf wollte er mich begleiten um mir auch gleich den Weg zu den Supermärkten in der City zu zeigen.

    Ich konnte endlich den blöden Hoodie abstreifen (den ich in Ungarn kein einziges mal brauchen sollte), das völlig durchnäßte T-Shirt in die Waschmaschine pfeffern (das Apartment war wirklich komplett mit allem ausgestattet), Klamotten aus und dann erst mal eine Dusche nehmen und ein Stündchen im Sessel die Seele baumeln lassen..

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)Bilder: Mein Apartment in Pecs liess keine Wünsche offen. Es war wirklich komplett ausgestattet. Alleine für die gut funktionierende Klimaanlage hat sich das buchen gelohnt. Die braucht man dort auch im Sommer. Ansonsten haben die Toldi Apartments schnelles WLAN (kostenlos), ein gefliestes Bad mit Hänge-WC, Dusche, Waschbecken u. Waschmaschine und Fön. Das andere Zimmer ist wie eine Wohnküche eingerichtet. Eine Küchenzeile mit Kühlschrank, Kaffeemaschine, Wasserkocher, Mikrowelle, Ceran-Kochfeld (aber leider keinen Backofen) und Spüle. Im Kleiderschrank ist sogar ein Bügeleisen und neben dem Schrank in einer Nische ist ein Wäscheständer. 

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)An der Wand hängt dann noch ein moderner Flachbild-Fernseher mit etlichen Kanälen – da die Sprache aber hauptsächlich ungarisch ist, war das Teil fast immer aus. Mal ehrlich, wer fährt in ein anderes Land um dort im Zimmer hocken zu bleiben und Fernsehen zu gucken?

    Die Pause auf dem Zimmer tat mir echt gut. Endlich mal runterkommen – das Gefühl, dass jetzt nicht mehr viel schiefgehen kann, liess meine etwas angespannten Nerven wieder etwas ruhiger werden.

    Ich döste wohl so knapp anderthalb Stunden und dann hatte ich wieder genug Energie um mich erneut in das unbekannte Abenteuer „Dr. Nerd in Ungarn“ zu wagen. Torsten hatte auch schon über whatsapp gefragt, ob ich wieder genug Mut hätte um zu einer neuen Exkursion aufzubrechen – na klar – ich war bereit..

    Bild 1: ein Foto von der Hauptstrasse aus geknipst. Auf der Linken Seite ist ein Einkaufszentrum mit diversen Geschäften. Auf der Seite von der ich das Bild aufnehme, ist eine große Mall, die ein noch größeres Sortiment bietet.

    Bild 2: Diese schmale Gasse führt direkt von meinem Apartment in die Altstadt. Die alte Stadtmauer ist auf der linken Seite zu sehen und wird bei allen Gebäuden mit ins Erscheinungsbild gezogen. Sehr interessant ist das Zusammenspiel alter historischer Elemente mit neuen Hightech-Bauteilen wie modernen Alu-Fenstern.

    Dort wo das Auto steht, ist eine kleine Pizzeria, die eine wunderschöne Dachterasse eingerichtet hat. Überhaupt sind die Gaststätten und Kneipen in Pecs eher klein und gemütlich als neumodisch chic eingerichtet.

    Bild 3: Die Häuser und deren Architektur sind häufig im meditteranen Baustil. Das liegt auch an dem Mittelmeer-Klima in  Pecs, das dafür sorgt, dass hier große Weinanbaugebiete sind.

    Einkauf im Supermarkt – alte Leute und moderne Technik: 2 Welten treffen aufeinander..

    Torsten kam kurz von seiner Wohnung bei mir vorbei und zusammen gingen wir durch die engen Gässchen der Altstadt von Pecs zur Hauptstraße herunter um dort in einem Supermarkt eine „Grundausstattung“ an Lebensmitteln und Körperpflegeprodukte zu kaufen: Brot, Margarine, Wurst, Käse, Wasser, Kaffee, Milch, Zahnpasta, Deo, Zahnbürste, Seife.

    Auf dem Weg dorthin kamen wir an einer Bank vorbei und ich wollte Bargeld abheben um damit im Laden bezahlen zu können. Torsten riet mir direkt davon ab: „daran erkennt man sofort die Deutschen – das sind die einzigen, die hier noch mit Bargeld zahlen“. Er wollte wahrscheinlich die „alten Deutschen“ sagen – lies das „alt“ aber aus Rücksicht auf mich netterweise weg..


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    Wir gingen also an der Sparkassen-Filiale  (das war tatsächlich eine Zweigstelle der „ersten Sparkasse“ aus Österreich mit dem auch hier üblichen, bekannten roten Sparkassen-Logo) auf der Hauptstraße, die wie jede andere Hauptstraße in deutschen Städten aussah vorbei überquerten die Straße und gingen in den „coop“ – Supermarkt, der modern eingerichtet war und sich was die Warenpräsentation anging an die bekannten Verkaufsstrategien hielt. Am Eingang Obst und Gemüse, dann Nährmittel, Konserven, Kaffee, Getränke, Molkereiprodukte, Fleisch-Abteilung. In einem modernen Supermarkt kann man sich eigentlich nicht verlaufen.

    Das einzige, was an ein ungelöstes Scrabble-Spiel erinnerte, waren die Bezeichnungen auf der Ware und die Inhaltsstoffe auf der Rückseite. Damit konnte ich ja nun echt gar nichts anfangen.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 2)

    Bild: kleines Quiz – was habe ich hier gekauft? Viele Dinge sind einfach, weil ich auch in Deutschland bekannte Markenprodukte gekauft habe. Nicht wegen der Qualität, sondern weil ich da wenigstens wusste, was es ist – bei den ungarischen Bezeichnungen war ich hoffnungslos verloren..

    Torsten zeigte mir auch wie das mit dem einpacken eines frischen Brotes funktioniert – im Prinzip genauso wie bei uns, nur dass man mit den Brot-Bezeichnungen nicht klarkommt. Für die Touristen hat man deshalb Zahlen ans Regal gemacht, die man auf der Waage dann eintippt. Man kann auch die Anzahl der Brote eintippen. Wenn man es einmal gesehen hat, dann weiss man eigentlich, wie das funktioniert. Bei den nächsten Einkäufen war ich schon selbst in der Lage das richtige Brot zu schnappen, auf die Waage zu legen und das Preisschild zu drucken.

    Ich war stolz wie ein Kleinkind, dass das erste mal alleine auf’s Töpfchen geht..

    Beim ersten Einkauf ging aber nicht alles so glatt wie geplant. Da an der Kasse einige Kunden – ungefähr 3-4 schätzungsweise – in der Schlange standen (für deutsche Kassen-Verhältnisse bei Aldi & Co. nichts was eine zweite Kasse rechtfertigen würde), meinte Torsten wir sollen zur Selbstzahlungskasse gehen.

    So etwas ist mir in Dortmund noch nicht begegnet – man scannt die Artikel seines Einkaufs selber ein und zahlt dann mit seiner Eurocheque-Karte. Hier begann das Unheil..

    Torsten legte den Einkauf neben die Kasse scannte alles ein und sagte zu mir „hast Du eine Kredit-Karte?“ Klar, habe ich eine Kredit-Karte und steckte die auch in den Automaten – der Apparat erkannte die auch. „Jetzt musst Du den Pin-Code eingeben..“, „was für einen Pin-Code?“ war meine Gegenfrage, denn auf der Kredit-Karte ist zwar auf der Rückseite eine Prüfziffer, die man bei Käufe mit der Kredit-Karte zur Legitimierung eingeben muss (ebenso wie die Kreditkarten-Nummer und das Gültigkeitsdatum) – aber einen Pin? Ich glaube, dass ich irgenwann mal die Nachricht von meiner Bank bekam, dass ich selber eine Pin-Nummer für die Karte vergeben kann – habe die aber nie genutzt.


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    Torsten meinte eigentlich Eurocheque-Karte, also zog ich die Kredit-Karte während der Automat auf meine Pin-Nummer wartete raus und steckte stattdessen die richtige Karte ein. Na, da machte das Teil aber mal sofort Alarm..

    Ich weiss nicht welche Schimpfworte mir der Automat auf dem Display an den Kopf warf – aber ohne Torstens Hilfe wäre ich wahrscheinlich in einem ungarischen Knast gelandet..

    Eine Verkäuferin musste kommen um die wildgewordene Kasse zu beruhigen und alles wieder auf Null zu bringen – Torsten erzählte Ihr wohl, dass ich ein dummer deutscher Tourist bin, der das erste mal in seinem Leben das Land verliess – was ja auch fast stimmte.

    Im nächsten Anlauf klappte das bezahlen dann.

    Am nächsten Morgen ging ich direkt in die verpönte Sparkasse und hob erst mal 20.000 Forint Bargeld ab – mir doch egal, ob ich als alter doofer Deutscher, der Bargeld liebt, angesehen werde – die peinliche Nummer wollte ich nicht nochmal haben..

    Das war Teil 2 meines Reiseberichtes aus Ungarn. Hat er euch gefallen? Konntet Ihr euch von dem Land schon ein Bild machen? Dann lasst einen Kommentar da – bald gibt es den nächsten Teil..

  • Dr. Nerd bei den Ungarn – ein märchenhafter Reisebericht – aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)

    Hidiho liebe Community! Was beginnt wie ein Bildband der uralten Mecki (dem Redaktionsigel der TV-Zeitschrift „Hör Zu“) Reiseberichte, ist mein erster – ja wirklich! – Reisebericht.

    Echt! Wer von euch hätte gedacht, dass ich mal freiwillig meine geliebten Dr. Nerd Laboratorien verlasse, um mal den Duft der großen weiten, abenteuerlichen Welt zu schnuppern? Eben! Keiner! Weil ich Reisen hasse!

    Aber da ich fünf ziemlich abenteuerliche Tage in Ungarn war (was ja auch nicht mal eben um die Ecke liegt) – versuche ich einfach mal so was wie eine spannende, kuriose Geschichte der vergangenen Reise zu Papier zu bringen (natürlich im unvergleichlichen Dr. Nerd Schreibstil). Klar kann ich weder Elke noch Kasia bei Ihren Welterkundungstouren und den daraus resultierenden spannenden Geschichten das Wasser reichen, aber wir machen hier ja auch keinen Wettstreit, ooooder?..

    Also ran an die Feder und getippt was das Zeug hält, damit Ihr wisst warum euer Dr. Nerd den lieben Ungarn einen Besuch abstattete..

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)

    Bild oben: Mensch, was habe ich als Kind die Mecki-Bücher geliebt – die zauberhaften Reisen in die Märchenländer regten meine Phantasie an – dass der einzige weibliche Protagonist  die Ente Quack war, die immer an allem rumnörgelte hat nachhaltig meine Wahrnehmung weiblicher Wesen beeinflusst. Ich sah mich eher als heldenhafter Kater „Murr“ – „Charlie“ der Schrat, war für mich so nebensächlich und farblos wie Herr Ärmel aus Jim Knopf und Lukas der Lokomotiv-Führer. 

    Und Ihr merkt vielleicht: als Kind habe ich die Bücher verschlungen..

    Diese Reise wird keine leichte sein…

    Vor 2 Wochen rief mich mein alter Freund Torsten an: „Hörmal, Peter..  Du wolltest doch dieses Jahr mal nach Ungarn kommen..“

    Uuups, fast verdrängt kam da wieder hoch, dass ich schon vor einigen Jahren geplant hatte, den alten Spezi, mit dem ich damals viele wilde Partys gefeiert hatte (der dann, weil er dort seine jetzige Frau kennen gelernt hatte, vor über 20 Jahren nach Ungarn ausgewandert war) zu besuchen – dies aber aufgrund einer Mittelohrentzündung seinerzeit nicht klappte – mit einer Mittelohrentzündung und perforierten Trommelfellen fliegen? Da hatte mein HNO-Arzt nur gelacht..

    Wir hatten uns in den Jahren nicht aus den Augen verloren, sondern weiterhin Kontakt über Whatsapp und videofonierten häufig und lang.

    Anfang dieses Jahres kam es wieder zur Sprache und ich hatte meinem alten Kumpel auch gesagt, wann ich vorhabe das Jahr Urlaub zu nehmen.

    Er meinte dann, dass ich im September zwischen dem 20.9 und 24.9. nach Pecs kommen sollte – dann wäre da ein großes Fest und die Temperaturen voraussichtlich erträglich.

    Doch der Satz: „Du wolltest doch dieses Jahr nach Ungarn kommen..“ grätschte mir mit Macht in meine selbstauferlegte 20° C Quarantäne.

    Zugegebenermaßen hatte der diesjährige heiße Sommer – und damit meine ich die wirklich wochenlange, unerträgliche Hitze von 35° Celsius – bei mir nicht den geringsten Wunsch geweckt, meinen knackigen Hintern aus der angenehm (dank zwei intakter Klima-Anlagen) temperierten Butze nach draußen in die Sonne zu schleifen – noch weniger, ihn weiter als nötig draußen zu bewegen. Deshalb hatte ich mein damaliges Versprechen der Ungarn-Reise.. hmm.. sagen wir mal.. verdrängt…

    Oder anders gesagt: „wenn Du nicht fragst, werde ich dich ganz sicher nicht daran erinnern..“

    Naja, ein Versprechen unter Männern ist ein Versprechen – also habe ich kurz alle verfügbaren Ausreden im Kopf durchprobiert, fand aber keine passende – also sagte ich sowas wie: „ah ja…“ und dachte: „Mist, hast dich wieder wie ein Anfänger übertölpeln lassen..“

    Es kam wie es kommen musste – eine halbe Stunde später waren dank der tatkräftigen Hilfe von Torsten, der mich dabei online überwachte, dass nichts schief geht, Hin-und Rückflug, Transfer vom Flughafen Budapest nach Pecs und zurück, sowie ein Apartment für fünf Tage gebucht.

    Pecs (auch unter dem deutschen Namen „Fünfkirchen“ bekannt), ist eine Stadt in Ungarn (knapp 150.000 Einwohner, wovon 3000 Studenten sind) mit mediterranen Klima und als Weinanbaugebiet bekannt. Es hat baulich sowohl Einflüsse aus der KuK-Zeit als auch maurische Bauwerke aus der Zeit durch die Eroberung durch die Türken. Pecs war Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010 und vieles dort gehört zum Kulturerbe. Die Fakultät ist überwiegend von Medizinstudenten aus Deutschland bevölkert, die bei uns den Numerus Clausus dafür nicht geschafft haben aber trotzdem gerne Medizin studieren möchten. Ihr ahnt es schon: das Klientel verwöhnter Sohn reicher Elten, der zu faul war zu büffeln, weil er lieber Party machen wollte. Die Studiengebühren betragen um die 12.000 € pro Jahr. Einige unserer neuen Bundesländer haben ein Programm aufgelegt, indem Sie finanziell schwach aufgestellten Studenten einen Deal anbieten: Die Bundesländer zahlen die Studiengebühren – dafür verpflichtet sich der fertige Arzt für eine gewisse Anzahl von Jahren in Strukturschwachen Gebieten als Arzt tätig zu sein. So ein bisschen Doc Hollywood eben..

    der Autor

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)

    Bild: Ich weiß ja nicht, wie ihr Morgens um 04:00 Uhr ausseht, wenn ihr vor Aufregung nicht gepennt habt – dafür habe ich noch gute Laune – NOCH! Denn die war 4 Stunden später verflogen..

    Die Reiseplanung – nicht alles läuft nach Plan..

    Beim buchen des Fliegers gab es die erste unangenehme Überraschung..

    In Dortmund ist die Fluglinie Wizz-Air stationiert. Die wird vielen nicht so bekannt sein, aber das ist eine ziemlich große ungarische Fluglinie, die viele Flughäfen im osteuropäischen Raum anfliegt – dazu gnadenlos günstig. Der Hinflug nach Budapest International Airport kostet grade mal 50 € pro Person.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)

    Bild: ENDLICH ÜBER DEN WOLKEN! Der Blick aus dem Fenster ist das einzig erfreuliche. Der Blick in den Innenraum ist Katastrophe pur. Boah, Camping-Stuhl-Klasse fliegen ist sowas von peinlich..

    Also mal in der App versucht Hin und Rückflug zu buchen. Hinflug klappte problemlos aber beim Rückflug wurde mir als Rückflugdatum immer nur ein Tag im Dezember angeboten. Torsten war davon ebenso überrascht wie ich, denn das hatte er auch nicht erwartet.

    Und tatsächlich macht die Fluglinie 2 Monate „Herbstferien“ – ich hatte einen der letzten Flüge nach Ungarn erwischt, bevor die Linie ihre Flotte monatelang einmottet.

    Ein Hinweis machte mich bei der Buchung des Fluges stutzig. Übersetzt bedeutete er sinngemäß: falls ich keinen festen Platz buche, kann mir je nach Belegung einer zugewiesen werden, der eventuell die Reise verteuert. (jetzt weiss ich, dass das Blödsinn ist, denn man bekommt, wenn man keinen bucht, einen zufälligen Sitzplatz zugewiesen – diese 28 € hätte ich mir also sparen können, obwohl ich bei längeren Flügen jedem raten würde, die Option mit mehr Fußraum zu wählen)

    Ich schaute mir die Sitzplätze des Fliegers in der App an. Normale Sitze kosteten 18,00 € zusätzlich – ein Sitz mit mehr Beinfreiheit 28,00 € für den Hinflug. Ich entschied mich für etwas mehr Platz für die Füße um die Beine auch mal ausstrecken zu können.

    Okay, der Hinflug war schon mal Safe – aber wie kommt Dr. Nerd in seine geliebte Casa Dr. Nerd zurück? Da bot sich nur ein Flug mit Eurowings an – der schlug aber mal sofort mit über 200 € für den einfachen Flug ein dickes Loch ins Budget der Reise. Die Landung war dabei nicht mal in Dortmund, obwohl die Eurowings-Fluglinie mal hier stationiert war, sondern in Köln-Bonn oder Düsseldorf.


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    Da die Landung erst Spätabends um kurz nach 22:00 Uhr erfolgen würde, entschied ich mich für Düsseldorf, da ich wusste, dass die S1 der DB Richtung Solingen über den Düsseldorfer Flughafen fährt – folgerichtig muss Sie auf dem Rückweg nach Dortmund Hauptbahnhof zurück und könnte mich dort aufsammeln.

    Und da Dortmund in Sachen ÖPNV ein Kaff ist und Sonntags nach 22:00 Uhr hier die Busfahrer schon zu Hause bei der Familie sitzen, war mein Plan mit der S1 bis zur Universität zu fahren und die restlichen knapp drei Kilometer nach Hause zu Fuß zu gehen.

    Nun musste ich noch von Budapest nach Pecs kommen, denn das liegt nicht mal eben um die Ecke sondern knapp 200 Kilometer von Budapest entfernt – also eine ungefähr zweistündige Autofahrt.

    Dafür gibt es diverse Kleinbus-Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben die Urlauber, Studenten und andere Passagiere zwischen Pecs und Budapest zu befördern. Torsten empfahl mir die Firma „Travel4You“ und über die sehr hakelige Webseite auf der ich gar nicht zurechtkam, buchte ich mit Torstens Online-Hilfe die benötigten Fahrten. Die knapp zweistündige Fahrt kostete etwas über 40 € pro Tour, was ich absolut fair fand.

    Die Eingabemasken der Webseite brachten auch meinen Freund etwas ins schwimmen, denn in der Bestätigungsmail waren die Transfers genau falsch herum – statt mich am 20.9. von Budapest nach Pecs zu bringen, wollte man mich in Pecs abholen und mich zum Budapester Flughafen bringen und am 24.9. wieder von Budapest abholen.

    Glücklicherweise konnte Torsten diesen Fauxpas mit einem Telefongespräch auf ungarisch aus der Welt schaffen und die nächste Mail enthielt dann die korrekten Transferdaten.


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    Der Hin und Rückweg war also schon mal sichergestellt – als nächstes war die Frage der Unterkunft. Hier bot sich an, dass Torsten den Intendant der dortigen Oper als Nachbarn hatte, der ein neues Apartmenthaus knapp 3 Minuten Fußweg von Torstens und Lillas Wohnung entfernt hat bauen lassen.

    Ein komplett ausgestattetes Apartment auf westlichem Standard dort mit Klima-Anlage, komplett gefliestem Bad mit Dusche und Hänge-WC, Wohn-Küche mit Ceran-Feld zum kochen, Mikrowelle, Kaffeemaschine, Wasserkocher, großer Wand-Fernseher, WLAN – selbst eine Waschmaschine, Bügeleisen nebst Wäscheständer standen im Apartment zur Benutzung bereit – kostete mich für die fünf Tage 243,00 €.

    Für einen gutverdienenden Westdeutschen Urlauber sicher noch preiswert – man darf aber nicht vergessen, dass das monatliche durchschnittliche Netto-Einkommen des Ungarn nur bei ungefähr 900 € liegt.

    auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt – das Abenteuer beginnt..

    Am Mittwoch, dem 20.9. sollte also das Abenteuer beginnen. Hey, ihr naserümpfenden Weltreisende! Für mich alten Sesselpupser ist alles, was weiter als über Dortmunds Stadtgrenze hinaus geht, ein Abenteuer das vergleichbar ist mit Thor Heyerdahls Fahrt mit der Kon-Tiki..

    Da ich die Woche schon Urlaub hatte, konnte ich so im Vorfeld schon einiges an Reisevorbereitungen treffen. Da war zuerst mal das checken, was ich an Wäsche mitnehmen wollte. Ich wollte nur mit Handgepäck reisen, also wurde mein Laptop-Rucksack, in dem ich normalerweise mein Firmen-Notebook zur Arbeit schleppe, als Mini-Koffer umfunktioniert.

    Was braucht man für vier Tage? Ich überschlug mal und kam auf folgenden Gedankengang: Eine Jeans trage ich während der Reise, also brauche ich noch eine Ersatzhose, ein weiteres bequemes Paar Schuhe, zwei Oberhemden, vier T-Shirts und die gleiche Anzahl Unnerbüxen und Socken – das war schon mal in Ordnung. Einen Hoodie und eine leichte Überjacke trage ich auf dem Hinflug – das spart auch viel Platz im Rucksack.

    Zahnpasta, Zahnbürste, Deo, Seife? Das kauf ich alles am Urlaubsort – aber das Schnell-Ladegerät und die USB-Kabel zum laden des Handys und der Uhr müssen mit. Noch irgendwelche Medikamente? Also rein damit.

    Was musste vor 5 Tagen Abwesenheit noch gemacht werden… ich überlegte.. der Kaffeevollautomat sollte auf jeden Fall vorher noch mal auseinander genommen werden, Brühgruppe und Tropfschalen entleert, getrocknet und danach trocken gelagert werden, damit mir nicht bei der Begrüßung ein netter Schimmelpilz den dringenst benötigten Koffeinschub vermiest.

    Ebenso durfte die Spülmaschine nochmal einen Reinigungsgang mit dem noch schmutzigen Geschirr machen und danach zum besseren trocknen geöffnet stehen bleiben, ebenso die Waschmaschine – natürlich nicht vergessen hinterher die Anschlußhähne zuzudrehen. Die Wäsche wurde noch herausgenommen und auf dem Wäscheständer aufgehangen, soweit auch alles Tutti..

    Wo ich schon mal im Haushalt-Optimierungsmodus war, wurde auch gleich der Herd und die Backbleche geschrubbt, die Bude gesaugt und das Bett neu bezogen. Ist doch schön, wenn einen ein herrlich aprilfrisch duftendes Bett nach einer Woche voller Leid und Entbehrungen zu Hause zum kuscheln und verweilen einlädt..

    Und als ich die Wohnungstür hinter mir zuschloss um zum Flughafen zu fahren, wurde auch gleich noch der Müllsack mit zum Container genommen, damit der nicht die Küche vollmüffelt.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)

    (Bild: die große Synagoge der Stadt Pécs.

    Juden lebten bereits vor der osmanischen Besatzung Ungarns in der Stadt. Nach deren Abzug 1692 schwor die Stadtbevölkerung nur noch Katholiken in der Stadt siedeln zu lassen. Trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen konnten sich Juden wieder ansiedeln. 1827 wurde ein jüdischer Friedhof angelegt und 1843 wurde die erste Synagoge gebaut, die jedoch bald zu klein wurde.)

    Das heutige Gebäude wurde im Juli 1869 fertiggestellt und orientiert sich stilistisch an der Romanik. Die Synagoge geht auf einen Entwurf der Architekten Frigyes Feszl, Károly Gerster und Lipót Kauser zurück. Die Fassade wurde zwischen 1980 und 1983 restauriert.

    Der prachtvolle Innenraum befindet sich noch im Originalzustand. Geometrische Formen, florale und fruitale Elemente bestimmen den Eindruck. Die mit Sternen verzierte Decke ist vom Hauptraum optisch durch ein reich ornamentiertes Bronzegeländer getrennt. Unter einem großen Baldachin aus mächtigen Marmorsäulen befindet sich der Thora-Tisch und das Buch der Tränen, welches die Namen von 3022 Juden enthält, die während Zweiten Weltkrieges hauptsächlich ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet wurden. Das Ner Tamid in Form eines Davidsterns symbolisiert die immerwährende Anwesenheit Gottes. Hier befinden sich auch Sitzplätze für älteren Mitglieder der Gemeinde, die Kanzel und die Menora. An den Wänden befinden sich Gedenktafeln mit hebräischen Inschriften, die auf den letzten Gottesdienst 1944 hinweisen. Die historisch wertvolle Orgel stammt von der Firma Angster und wurde im März 1869 im Gotteshaus installiert. Rechts und links des Hauptschiffes befinden sich in Glasbehältern sogenannte „Seelenkerzen“. Auf der linken Seite des Hauptschiffs befindet sich auch ein Wasserbecken, das für die symbolische rituelle Reinigung genutzt wird. Über dem Wasserbecken befindet sich eine Uhr, welche die Zeiten des Samstagsgebets anzeigt.

    Der Synagoge ist eine auch heute noch aktive jüdische Schule angeschlossen.

    (Quelle: Wikipedia)

    Es war also alles vorbereitet für das große Abenteuer „Ungarn für Anfänger“. Und schon fingen auch gleich die Probleme an:

    Einen Tag vor Abflug bekam ich von Wizz-Air eine SMS, dass ich nicht 2 Stunden sondern mindestens 3 Stunden vor Abflug am Flughafen zum einchecken sein sollte. Das warf meinen Plan mit einem der ersten Busse der DSW21 zum Flughafen zu fahren sofort über den Haufen. Die Fahrtzeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln beträgt etwas über eine Stunde – aber nur dann, wenn alle Anschlüsse klappen und alles pünktlich ist. Bei knappen Umsteigezeiten von 2 Minuten ist die Chance groß, dass man den Anschluß verpasst, weil man als Ortsunkundiger nicht weiß, wo man hingehen muss um zur nächsten Fahrgelegenheit zu kommen. Und Morgens um die Zeit ist die Taktung der Öffentlichen eher gemäßigt – da kann aus einer Minute zu spät an der Haltestelle schnell eine Stunde Verspätung bei der Ankunft am Flughafen sein – für mich als absolut unbeschriebenes Blatt in Sachen Fliegen das Horror-Szenario.

    Also rief ich morgens um sicher zu gehen, dass ich pünktlich ankomme ein Taxi, das auch knapp 10 Minuten später eintraf um mich einzuladen. Dass die Fahrt zum Flughafen aber gleich mit 40 € zu Buche schlug, hatte ich nicht erwartet – ich hatte mit so knapp 20 € gerechnet.

    Und schon flogen wieder ein paar uneingeplante Euroscheine gen Himmel – nicht die letzten – soviel sei verraten..


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    Der Dortmunder Flughafen – so peinlich wie der Dortmunder Hauptbahnhof..

    Um 5 Uhr Morgens traf ich am Dortmunder Flughafen ein – mal gut eine Stunde zu früh, aber ich hatte eh die Nacht kaum richtig schlafen können vor Aufregung und war hibbelig..

    Auf den wenigen verfügbaren Sitzplätzen, die sich nur in den Durchgängen des Eingangs befanden, kauerten Personen, die eher an Homeless People erinnerten als an Reisende. Verdreckte Klamotten, ungepflegte Haare und Plastiktüten aus Discounter-Märkten statt Rucksäcken, die wenigstens optisch etwas den Oberbegriff „Reise“ wecken könnten, herrschten vor.

    Dadurch, dass sich fortwährend die automatischen Türen öffnen und schlossen, herrschte ein ständiger unangenehmer kalter Luftzug. Die Planer des Dortmunder Flughafens schienen die gleichen zu sein, die den Berliner Flughafen verbockt hatten..

    In der Halle war in einer entfernten Ecke im Security-Bereich schon ein bisschen Publikumsverkehr – aber im übrigen weitläufigem Bereich ein Sammelsurium seltsamer Existenzen.

    In der großen Eingangs-Halle, an deren Ende die Counter der wenigen Fluglinien noch mit ausgeschalteter Beleuchtung und ohne Bedienungspersonal auf fluglustige Passagiere harrten, wanderte ein schlanker grauhaariger Mann in Jeans und orangefarbenem T-Shirt mit einem Firmenaufdruck auf dem Rücken umher.

    Er hatte ein Buch in der Hand und redete die ganze Zeit vor sich hin – ich nahm an, dass das Buch ein Kalender war und er mit seiner Firma oder Freunden telefonierte, sah aber seltsamerweise keinen Bluetooth Kopfhörer oder irgend ein anderes technisches Gerät zur Sprachübertragung an seinen Ohren.

    Es dauerte nicht lange, bis er meiner aufmerksam wurde und auf mich zu kam. Er hob das Buch, fing an mit der anderen Hand zu gestikulieren und wollte auf einmal ein Gespräch über Allah mit mir beginnen.

    Im Ernst? Hat mein Tag nicht schon kacke genug angefangen? Aber ich bin scheinbar ein Deppen-Magnet und ziehe Leute mit im Oberstübchen falsch verdrahteten Synapsen magisch an.

    „Alter, hau bloss ab!“ war deshalb meine genervte Reaktion auf den Aushilfs-Zeugen Jevohas, der wohl im Halbschlaf versehentlich das falsche Buch aus dem Regal geschnappt hatte und den Koran mit der Bibel verwechselt hatte.

    Er drehte auch ohne zu protestieren ab und nervte fortan andere Reisende, die nun langsam aber stetig einzutrudelten.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)

    (Bild: das spannendste am Dortmunder Flughafen sind die Spiegelungen in der Scheibe. Ansonsten strahlt der Flughafen einen Hauch von Stümperhaftigkeit aus..)

    das erste mal fliegen – oder: über den Wolken..

    Da auf dem Flughafen Dortmund nicht viel spannendes passierte und die meisten Läden noch geschlossen hatten, suchte ich mir einen freien Sitzplatz auf einer der Bänke in den Durchgängen. Die Zeit verging quälend langsam, denn das einzige was passierte war das ständige Auf und Zu der Türen, die sich mit leichtem zischen öffneten und kurze Zeit später wieder schlossen. Scheinbar waren die sehr empfindlich eingestellt, denn häufig öffneten sich die Türen, ohne dass ein Reisender oder irgendeine andere Person eintreten wollte.

    Mir gegenüber saß eine junge Frau zusammen mit Ihrer Mutter. Das Mädchen trug einem silbernen Stepp-Mantel, der Menschen immer aussehen lässt wie das Michelin-Männchen. Beide starrten gebannt auf Ihre Handy-Displays und schienen sich nicht viel zu sagen zu haben.

    Der Aufenthalt der jungen Frau schien aber von längerer Dauer zu sein, denn sie hatte nicht nur einen Rucksack, sondern auch einen roten Trolly neben ihrem Sitz stehen. Auf dem Trolly hatte sie einen Papp-Becher mit Kaffee stehen, aus dem Sie ab und zu, wenn Sie vom Display des Smartphones aufsah, einen Schluck trank.

    Mir fiel ein, dass ich auch bisher auch noch nichts im Magen hatte – einen wachmachenden Morgen-Kaffee konnte ich ja wegen der auseinander genommenen Kaffeemaschine nicht trinken.

    Ich stand also auf, schlenderte los um mir auch ein heißes Getränk zu ergattern und betrat wieder den Innenraum.

    Der muslimische Laien-Priester sah mich, war auch schon im Begriff auf mich zuzusteuern, erinnerte sich aber wohl an meine harsche Abfuhr und drehte wieder ab um anderen – weniger imaginären Freunden abgeneigten Mitmenschen – die Lehre Allahs zu verkünden.

    In einigen Läden waren die Rolläden fast hochgezogen und es brannte Licht. Ich ging auf einen zu und fragte eine der dort mit dem einräumen der Ware beschäftigten Verkäuferinnen nach einem Kaffee… „nee.. erst in einer Viertelstunde..“ – na gut, damit konnte ich leben – ich schlenderte langsam zu meinem Platz zurück, warf dabei einen prüfenden Blick zum Counter der Wizz-Air, doch dort tat sich noch gar nichts..

    Mein Platz auf der Bank war noch frei und ich setze mich wieder dort hin. Die junge Frau von gegenüber blickte kurz von ihrem Handy auf um gleich darauf wieder auf das Display zu schauen.

    Um kurz nach 6:00 Uhr unternahm ich einen neuen Versuch etwas warmes und kreislaufförderndes in den Magen zu bekommen. Der Laden hatte nun auf und ich bekam nun endlich einen Becher Kaffee, der sogar richtig kräftig im Geschmack war und ein gutes Aroma hatte.

    Ich hatte den Becher Kaffee grade leer getrunken und den Becher in einem Müllbehälter entsorgt, da tat sich etwas am Counter der Wizz-Air. Eine junge, schlanke und großgewachsene Frau in Uniform fing an die Riegel der Absperrbänder zum Counter zu öffnen und hakte die Verschlüsse in die „offen“ Position ein.

    Das hatten auch andere Reisende mitbekommen und in Windeseile hatten sich dort schon ein paar Dutzend andere Flugreisende eingefunden, um ebenfalls einzuchecken. Mit meinem Rucksack auf der Schulter stellte ich mich in der Schlange an, die recht zügig abgearbeitet wurde. Während es in Trippelschritten weiter in Richtung Counter ging fummelte ich das Handy raus um dort die Wizz-Air App zu öffnen, denn dort war die Bordkarte mit dem Scan-Code abgespeichert.

    Als ich dran war fragte mich die Frau hinter dem Schalter ob ich noch Gepäck hätte – „Nein, nur diesen Ruckssack“ – daraufhin zeigte die Frau Richtung Hallenende und sagte, ich soll direkt zur Security gehen um einzuchecken. Also stiefelte ich los um ein paar Minuten später in der nächsten Schlange zu stehen.


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    Zuerst musste ich meine Bordkarte wieder über einen Scanner halten, damit sich die Tür zum Security-Bereich überhaupt erst mal öffnete. Eine Frau in orangefarbener Warnweste achtete darauf, dass dies auch den Sicherheitsbestimmungen entsprechend geschieht. Danach kam ich an ein Fließband und etliche Männer und Frauen in Uniformen mit weißen Hemden und schwarzen Hosen wiesen die Reisenden an, was zu tun sei.

    Ich hatte bei meiner Flug-Erfahrung keine Ahnung was da auf mich zukam. „Bitte Jacke ausziehen – alles was in den Taschen ist in den Behälter legen“ – ich schaute kurz wie die anderen geübteren Reisenden das so machten und legte den Rucksack in den ersten Behälter, fischte mir noch einen zweiten Behälter aus dem Stapel der unter dem Rollband wartete legte dort meine Jacke, das Cäppi, Handy und Geldbörse hinein. Ebenso fischte ich die Kopfhörer aus der Hosentasche und legte die dort rein.

    Dann musste ich mich vor einen Körperscanner stellen – und das Teil fing sofort an zu piepen. Der Security-Mitarbeiter fing an mit seinem Handgerät an mir rumzuwedeln.. Piep, piep.. „ziehen sie mal bitte die Schuhe aus..“ ich zog die Schuhe aus und sollte mich auf einen Stuhl setzen.. Piep, piep.. „können Sie mal bitte das Hosenbein hochkrempeln?“.. klar konnte ich das, dort kam ein Verband zum Vorschein, denn ich hatte mir den Knöchel aufgehauen und mit einer elastischen Binde getaped. Zum fixieren hatte ich Gafferband genommen, das hatte ich noch von meinem Umbau von der Zweischlauch-Klimaanlage – na klar, das Klebeband ist nicht umsonst silbern und hat wohl Metall-Anteile.

    Der Security-Mann stellte sein Gerät anders ein.. Piep, piep.. das Gerät  hatte sich scheinbar auf mich eingeschossen. Da fiel mir mein Herzschrittmacher ein. „Äh, könnte es an meinem Herzschrittmacher liegen“, fragte ich so unschuldig wie es ging. „das erklärt einiges, darf ich mal kurz tasten?“ – nachdem er den Herzschrittmacher auf der Brust ertastet hatte, durfte ich mich wieder anziehen und weiter in den Departure-Bereich gehen.

    Ich weiss nicht, was Leute am fliegen finden – ich finde es höchst erniedrigend so eine Behandlung über sich ergehen zu lassen, dass man fast halbnackt, beobachtet von etlichen anderen Passagieren einen Hampelmann macht..

    Im Departure-Bereich dachte ich, geht es nun aber schneller voran – doch weit gefehlt, denn der Flieger der Wizz-Air war noch gar nicht da, sondern stand noch in Budapest um beim ersten Flug Passagiere nach Dortmund zu bringen. Der Flieger landete erst um kurz nach 8:00 Uhr und entliess erst mal die Passagiere des Hinfluges. Danach noch einmal kurz gereinigt und der Flieger ist bereit für den Rückflug. Es kamen also noch mal 2 Stunden Wartezeit auf mich zu.

    Hier durfte ich auch erneut die schlechte Planungsarbeit des Dortmunder Flughafens bewundern. Im ganzen Departure-Bereich gibt es zwei Toiletten: eine Einzel-Kabine für Männer, eine für Frauen. Das bei knapp fünhundert Passagieren, die dort warten, wenn 2 oder 3 Flugzeuge zeitgleich starten? Nach einer Stunde ausharren im Wartebereich standen dort Schlangen von Menschen vor – wie die Toilette innen aussah, kann man sich vorstellen, oder?


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    Da mir der Magen so langsam auf den Kniekehlen hing, war meine Laune, die ohnehin nicht so besonders war, eher frostiger Natur.

    Auch hier schlich die Zeit elendig langsam voran, denn es gab ja nicht viel zu schauen draußen auf dem Rollfeld. Langsam trudelten aber die Airbus A320neo der Wizz-Air ein und spuckten die Reisenden aus, die nach Dortmund wollten. Der Flug nach Budapest war in greifbarer Nähe..

    Etwas später konnte das Boarding beginnen, wie hätte es auch anders sein können – ich war noch mal kurz auf Toilette und als ich rauskam, war das Boarding schon lange eröffnet und ich so ziemlich der letzte der sich in die Schlange einreihte..

    In der Hektik verhaspelte ich mich in der Wizz-Air App und konnte nicht so schnell die Bord-Karte anzeigen, irgendwo war ich im Menü falsch abgebogen und sollte mir einen Mietwagen in Budapest besorgen. Der junge Mann war aber entspannt und sagte, zeigen Sie mir kurz den Ausweis, und gehen Sie durch, die Kollegin vorne macht das schon..

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)

    (Bild: Ein kurzer Blick in den Innenraum der Wizz-Air Flieger vom Typ A320neo. Ein enger Mittelgang an dem man kaum aneinander vorbeikommt und links und rechts je drei Sitze, deren Polsterung den Namen nicht verdient hat. 

    Ich hatte aber totales Glück! Das ist Luxus in der Camping-Stuhl-Klasse – eine ganze Sitzreihe für mich allein. Das war die 28 Euro Mehrpreis wert.)

    Auf dem Weg zur besagten Kollegin kriegte ich aber die störrische App in den Griff und konnte die nun sichtbare  Bordkarte über den Scanner ziehen.

    Der Weg zum Flugzeug war dann wieder Dortmunder Peinlichkeit – durch ein piefiges Treppenhaus, welches jedem Mietshaus Konkurrenz machen könnte, aufs Rollfeld latschen und Alutreppen zur Flugzeug-Kabine hochtrampeln ist dann echt nicht mein gewohnter Reise-Stil.

    Da es nur einen einzigen engen Mittelgang gibt, über dass sich alle Passagiere quetschen müssen um ihre Plätze in der fliegenden Röhre zu finden, dauert es etwas bis alle Flugreisenden ihr Handgepäck verstaut, die Plätze eingenommen und erst mal durchgeschnauft haben.

    Ich war mal wieder einer der letzten, das zieht sich ja bei dieser Geschichte  irgendwie auch bis zum Ende durch und setzte mich auf meinen Patz, der auf der Gangseite war. Ich war erstaunt, dass dort noch kein anderer in der Reihe saß, denn hinter mir kamen nicht mehr viele Passagiere.

    Ein paar Minuten später kam die Durchsage, dass das „Boarding complete“ sei und „all Passengers on Board“ sind. Nanu? Ich saß ganz alleine in der Sitzreihe! Im ganzen restlichen Flieger hockten die Fluggäste wie Hühner dicht gedrängt auf der Stange und ich hatte eine ganze Reihe (sogar mit mehr Fußraum als die meisten) für mich alleine.

    Dr. Nerd bei den Ungarn - ein märchenhafter Reisebericht - aufgeschrieben von ihm selbst (Teil 1)Dann begann die seltsame Zeremonie der Sicherheitseinweisung. Die Stewards und Stewardessen kramten Taschen aus den oberen Gepäckablagen und fingen an, mit deren Inhalt, steinernem Gesichtsausdruck und seltsam eingeübten Gesten, die an die Präsentation der Preise der Show „das Glücksrad“ erinnerten, den Passagieren zu erklären, wie man sich anschnallt, wie man die Sauerstoffmaske aufsetzt und wo die Notausgänge sind – aus meiner Erfahrung mit Flugzeugabstürzen bin ich ziemlich sicher, dass man sich diese Zeit sparen kann – meistens überlebt sowieso niemand einen Absturz.

    Die Flugbereiterin kam nach der Vorstellung auch zu mir und sagte, dass ich mich auch ruhig ans Fenster setzen könne, wenn ich wollte, denn in der Reihe würde niemand sonst sitzen. Das war ja mal eine der guten Nachrichten heute. Also rutschte ich ans Fenster und konnte ein bisschen vom Flug mitbekommen, denn die Maschine war schon auf dem Weg zur Rollbahn und nur wenige Sekunden später gab der Pilot Vollgas und die Maschine hob mit donnernden Triebwerken ab.

    Dass die Stewardess Hintergedanken hatte, als Sie mir den Platz am Fenster nahelegte merkte ich, als sie wiederkam und mir eine Einweisung als Ersthelfer gab, denn ich war nun in einem Notfall dafür verantwortlich die Notausgänge auf meiner Seite zu öffnen und dafür zu sorgen, dass die Notrutschen ausfuhren. Ich meinte, dass Gott es sicher nicht zulassen wird, dass zwei so gutaussehende Menschen an einem Tag sterben, was ihr ein leichtes lächeln entlockte..

    Obwohl ich bisher erst einmal vor etlichen Jahren geflogen bin und das als unangenehm empfand, war es diesmal entspannend. Klar, beim Start rappelt es etwas wenn der Flieger zur Rollbahn holpert aber das ist ja auf Dortmunder Straßen üblich, dass einem in den Verkehrsmitteln die Wirbelsäule gestaucht wird – fahr mal hier mit einem Linienbus.


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    Auf der Rollbahn war das rumpeln weg und der Flieger konnte richtig beschleunigen. Die Turbinen heulten auf und es drückte einen richtig in den Sitz, das Flugzeug nahm Tempo auf und mit meiner langjährigen Flusi-Simulator sagte ich im stillen: „V1“ –  „Rotate“ –  „V2“ bei den einzelnen Startphasen. Kurz nach dem Start drehte der Pilot direkt im 90° Winkel stark ab – dazu senkte er jeweils die Tragflächen ab um schneller drehen zu können, stellte dann den Flieger aber wieder grade um nicht zu viel Höhe zu verlieren. Das wiederholte er so 3 bis 4 mal – ich fragte mich ob der Pilot Kampfjet-Erfahrung hatte – so ein Achterbahn-Manöver bei nervösen Mägen – das bringt schon mal das eine oder andere Frühstück wieder zum Vorschein.

    Kurz nachdem der Flieger in der Luft war schoben die Flugbegleiterinnen Karren mit dem berühmt berüchtigten Flieger-Frühstück durch den Gang. Ein kurzer Blick auf das, was man bekam liess mich dann doch lieber noch mal 2 Stunden Kohldampf schieben, wie man im Pott sagt.

    Der weitere Flug verlief aber ruhig – der Pilot stieg ziemlich schnell durch die Wolkendecke auf die Dienstgipfelhöhe und kaum war man über den Wolken befand man sich auch schon wieder im Sinkflug um auf dem großen Budapester International Airport zu landen.

    Soweit der erste Teil meiner Reise nach Pecs in Ungarn und dem Besuch bei meinem alten Freund Torsten und seiner Familie. 

  • Doctor Love und die DDR (ein Erfahrungsbericht)

    …oder: Eine Momentaufnahme zur Leipziger Messe im Frühjahr 1990

    Seit 2 Tagen gibt es im TV Berichte über den Mauerfall in Berlin. Über die Öffnung der Grenzen eines Staates in einem Staat, in dem die Menschen mehr an Gefangene eines Gefängnisses mit Freigang erinnerten, als an freie Bürger. Den Mauerfall habe ich selbst nicht so euphorisch erlebt (Damals war ich noch jung, hatte noch eine feste Freundin, und wahrscheinlich grade tagelang andauernden wilden, hemmungslosen, schmutzigen, experimentierfreudigen Sex mit ihr. Da bekommt man ja nicht viel anderes mit!), wohl aber einige Dinge, die uns Wessis den schlechten Ruf einbrachten, den wir für die Ossis ja immer noch haben!

    (Zonen-Gabi mit ihrer ersten Banane – Ein Synonym für die Unzahl Verarschungen, welche ganze Heuschreckenschwärme von Finanzoptimierern, fliegenden Händlern, Autoverkäufer, usw. den Ossis angetan haben)

    Zu dem Zeitpunkt des Mauerfalls war ich im Messebau tätig. Und es war für mich, der früher nie in der DDR war, ein unglaublich bizarres Erlebnis zum Aufbau der Leipziger Frühjahrsmesse im Februar ‘90 (nur knapp 2 Monate nach dem Mauerfall) in die ehemalige DDR zu fahren. Aufgrund der Horror-Erzählungen von anderen Technikern, die schon ein paarmal “die Leipziger” gebaut hatten, bin ich schon mit einem flauen Gefühl im Magen, von Dortmund losgefahren. Die Strecke (knapp 400 Kilometer) zieht sich ganz schön, aber in Westdeutschland kommt man über die A44 Richtung Kassel ganz gut voran. Dann wird es zusehends langsamer, denn über die B7 weiter bis zum Grenzübergang Eisenach ist es nur Landstraße. Erst die letzten Kilometer sind wider Autobahn. Und je näher ich der Grenze kam, umso flauer wurde das Gefühl…

     Placeholder(“Gänsefleich mol den Goffer ofmochen?” Die DDR-Grenze bei Eisenach… oder wo auch immer. Es sah eine aus wie die andere! Und immer alles Grau in Grau!)

    Es war in der Tat, ein bedrückendes Gefühl, als man sah, dass hunderte Meter vom Grenzübergang meterhohe Zäune standen, das Gras statt saftig grün wie im Westen Deutschlands, bräunlich verbrannt und kurz geschnitten, damit sich niemand unbemerkt durch den Todesstreifen mogeln konnte. Die Grenzanlagen beeindruckende Betonburgen, aber wenn man genauer hinsah, war schon vielerorts der Verfall zu sehen. Überall schadhafte, abgeplatzte Stellen, die wohl niemand reparieren wollte. Überhaupt – man kam sich vor, als hätte jemand mit Photoshop einen Farbreduzierer über die Netzhaut gelegt. Statt kräftigen, leuchtenden Farben, allenfalls blasse Pastelltöne, die aber nicht in Hochglanz strahlten, sondern eher Matt ausschauten. Alles wirkte irgendwie billig. Und je weiter man über die Autobahn in Richtung Leipzig fuhr, umso schlimmer wurde es!

    Placeholder(DDR-Autobahn Anno 1989.. was fällt positiv auf? Genau! Lästige Leitplanken sind ebenso überflüssig wie Seitenstreifen.. Abenteuer pur, halt)

    Nicht nur, dass über dem ganzen Land eine Duftwolke von verbranntem Zweitaktgemisch lag (ja, nach meiner Erfahrung roch die DDR auch anders), was durch die überall gegenwertigen, und ständig Qualmwölkchen heraus stotternden und knatternden Trabbis kam. Das ganze Land war Grau in Grau! Grau war überhaupt die vorherrschende Farbe! Graue Plattenbauten aus Beton, graue oder verrostete Metallzäune entlang der Autobahn, graue Farbschleier auf Schildern und Beschriftungen. Die weitere Fahrt nach Leipzig auf der Autobahn wurde zum Abenteuer. Die Autobahn? Aneinandergelegte Betonplatten, die mehr schlecht als recht miteinander verbunden waren, und beim fahren ein einschläferndes “Badumm-Badumm” machten, wenn man über die Nahtstelle fuhr. Russische LKW’s die mit Tempo 10 Km/h des Nachts fast unbeleuchtet über die Autobahn krochen.

    Placeholder(So sah’s häufig aus! Kein Bombeneinschlag, sondern eine ganz normale DDR-Autobahn im Jahr 1989)

    Und es gab Schlaglöcher, so tief, dass es einem die Achse rausreißen konnte, wenn man es übersah, und hineinfuhr. Einmal gab es einen Schlag während der Fahrt, und ich bin vom Beifahrersitz komplett runtergeflogen. Der Inhalt des Becher Kaffees, den ich in der Hand hielt, klebte dafür am Wagenhimmel – was in einem Mercedes-Transporter mit Hochdach schon eine Kunst ist, denn das Dach ist gut einen Meter entfernt! Den Rest der Fahrt hatte ich ein Kissen unter dem Hintern, und den Sicherheitsgurt umgeschnallt, und mich festgezurrt wie ein Jetpilot!

    Da ich Beifahrer war, und ich mich etwas schonen wollte, versuchte ich den Rest der Strecke zu schlafen. Das gelang mehr schlecht als Recht auf der Rüttelbahn. Außerdem mussten wir zeitig auf dem Messegelände sein.  – Wir hatten nämlich Quartier bei einer Gastfamilie (ja, das gab’s: DDR-Bürger mit großen Wohnungen konnten sich die Erlaubnis einholen, Wessis als Pensions-Gäste zu bewirten). Die Adresse aber hatten wir nicht, die bekämen wir auf der Messe von dem Bauleiter des Bosch-Standes.

     Placeholder(Darin war die DDR unschlagbar! Im Zäune und Grenzen bauen. Aber selbst Nagelneu aufgestellt, sahen die Zäune schon alt und verwittert aus. Ich weiß nicht, wie man so etwas schafft!)

    Es kam, wie es kommen musste – Durch einen Reifenplatzer auf der Schlagloch-Piste, die übermütig Autobahn genannt wurde, kamen wir mit 2 Stunden Verspätung auf dem Messegelände an. Natürlich war niemand der Kollegen mehr da! Den Bauleiter per Handy darüber informieren? Haha! Versuch das mal, wenn du kein Netz hast…

    Was blieb uns anderes übrig, als die erste Nacht in einem Leipziger Hotel zu übernachten. So gegen 22:00 Uhr kurvten wir durch die Leipziger Innenstadt. Alles war in ein trübes, fahles Licht getaucht. Man hatte das Gefühl, dass es etwas neblig war, es war aber kein Nebel, sondern das kam durch die allgegenwärtige Staubwolke von Zweitakter-Abgasen. Trotzdem war es gespenstisch, fast unwirklich- ja surreal, weil es in der Innenstadt (immerhin war Leipzig eine Messestadt, in der sich die Welt trifft) fast Menschenleer war. Wir fanden schließlich nach langem rumirren ein großes Hotel mitten in der City. Und obwohl wir nicht reserviert hatten, ließ man sich herab uns ein Doppelzimmer für 500,00 Ostmark zu überlassen..


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    Das Zimmer? Eine Witz! Ich habe ganz Europa bereist, und nie in einem schlechteren genächtigt! Ein Schlauch von ca. 5 Meter Länge und 2 Meter Breite. 2 Betten, die an der rechten Zimmerseite längs hintereinander standen – links war grade noch Platz um sich am Bett vorbei zu zwängen. um ans Fenster zu gelangen (wo man russische Truppentransporter sah, die durch die City fuhren, und wenn man die schwerbewaffneten Soldaten sah, ging man schon freiwillig vom Fenster weg), oder um sich in die Nasszelle zu zwängen, die sich auch links befand, und eine Dusche, sowie ein WC enthielt. Die Einrichtung wirkte funktionell, aber billig! Viel Holz. Tapeten mit riesigen Pop-Art Mustern, die hier schon vor 10 Jahren out waren!

    Nach dem langen Tag eine heiße Dusche? Schön wär’s! Wir hatten ein Zimmer im sechsten Stock und der Heisswasser-Boiler war im Keller. Die Rohre natürlich nicht isoliert. Der Leser weiß was logischerweise kommen muss? Klar! Das aufdrehen des Heisswasser-Knebels brachte außer einem polterndem Geräusch erstmal minutenlang keine Änderung des Wasserzustandes. Aus dem kalten Kran kam kaltes, aus dem heißen Kran ganz kaltes Wasser! Nach ungefähr 5 Minuten quälten sich endlich die ersten Ausläufer lauwarmen Wassers aus dem Duschkopf. Wärmer wurde es auch nicht. Na gut. Ich wusste ja, aus Erzählungen von Kollegen, dass hier alles ein bisschen anders ist! Jetzt wenigstens ein bisschen Schlaf, denn morgen würde sicher ein harter Tag. Ich ließ mich erschöpft aufs Bett fallen, und kam mir vor, als wäre ich schon wieder mit dem Hintern auf den Wagenboden geknallt. Das war keine Matratze, sondern ein Stück Betonplatte von der Autobahn! Ich überlegte, ob es vielleicht bequemer wäre auf der Werkzeugbank des Montagewagens zu schlafen? Naja, wenn man schon so eine Menge Geld für ein Zimmer in der Größe einer Hundehütte bezahlt hat, dann nutzt man es auch.

    Die nächste Überraschung kam zum Frühstück. Welches wir als ‘Option’ mitgebucht hatten. Es gab bitteren Muckefuck-Kaffee, ein Holz-Schälchen mit 2 kalten Brötchen (eins für jeden) und 2 Scheiben Graubrot. Als Aufschnitt gab es 1 Scheibe Salami und einen Klecks Rührei. Ach ja, ein winziges “Elaste und Plaste”- Schälchen Marmelade gab es noch. Das war’s.. Selbst im Knast wäre die Auswahl größer (und der Schließer wäre wohl sogar netter, denn der “Pinguin” der uns bediente, war so unfreundlich und arrogant, dass ich ihm am liebsten das stumpfe, aber sehr biegefreudige Alu-Messer irgendwo hingesteckt hätte).

    Wir waren direkt froh, diesen Ort des Schreckens verlassen zu können, und begaben uns schleunigst zur Leipziger Messe, um die Adresse unserer Gastfamilie zu bekommen.

    Die Leipziger Messe? Ein Ansammlung fast abbruchreifer Hallen (die übrigens während der Messe geschickt auf NEU getrimmt wurden. Dort ein paar Liter Wandfarbe an die Stelle geklatscht, wo der Putz weg war, und dann noch einen Bauzaun davor, damit niemand genauer hinschauen konnte), an denen die Scheiben der Glastüren defekt waren, und die Innen völlig verwahrlost aussahen. Da die Messe-Handwerker aus der DDR Meister im tarnen, täuschen und verstecken waren, sind pünktlich zu Messebeginn, über die zerbrochenen Scheiben große Plakate geklebt worden.

    Glücklicherweise bekamen wir nun die Adresse unserer Gastfamilie, und die Betten und das Frühstück dort waren 2 Sterne besser, als in dem Nobel-Hotel! Es gab morgens sogar Schinken – Der allerdings gegen Westmark in einem Intershop gekauft wurde!

    Ein weiteres Kopfschüttel-Novum war die Badewanne und der Glutos-“Badeofen”.

     Placeholder(Der Glutos-Badeofen. Nur für furchtlose Zeitgenossen geeignet. Nicht vergessen: Vorher das Testament machen!)

    Während ich mich hier noch Dunkel an die alte Zink-Badewanne erinnern konnte, die aber, als ich im Alter von 6 Jahren war, gegen eine komplett eingemauerte und geflieste Email-Badewanne in einem Neubau ausgetauscht wurde, war bei unseren Gastgebern die Sanitär-Technik 50 Jahre hinter dem West-Standard zurück!

    Im Bad eine große freistehende Zinkwanne, und ein unheilvoll aussehender riesiger Badeofen, der erst mit Kohlen befeuert werden musste, und aus dem unter einem Mordskrach dann über abenteuerlich verlegte Metallleitungen, kochendheißes Wasser strömte. Dass Ding machte solch schreckliche Geräusche, dass ich mich mit dem Kopf bis unter den Wannenrand absinken ließ, um Deckung zu haben, weil ich immer Angst hatte, das Teil explodiert gleich! Meine Angst und Körperspannung wurde auch während des Bades nicht merklich weniger.

    Vor allem, weil die nette Tochter immer wieder ins Bad kam, um sich lächelnd zu erkundigen: “wie ist das Wasser?”..

    Interessant war auch ein Erlebnis, was ich mit der Tochter aus der Gastfamilie hatte.. Jaja – ich weiß schon, was meine Leserinnen jetzt denken: “Der Doc. hat Sie flachgelegt!” – Neeeein! – Ihre Eltern waren doch immer zuhause und passten auf wie Schießhunde.. Haha.

    Es ging darum, dass ich mal ganz gerne Abends rausgegangen wäre. Das ist aber in Leipzig, bzw. der DDR gar nicht so einfach gewesen. Kneipen gab’s zwar, aber Discos? Und selbst wenn du wusstest wo eine war, hieß das noch lange nicht, dass Du auch reinkamst! Das ging nur, wenn dich ein Stammgast mitnahm. Na, die Kleine war sofort Feuer und Flamme, mich mit in ihren Club zu schleppen.


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    Da ich den Tag noch auf der Messe war, hatten wir verabredet uns gegen 21:00 Uhr vor dem “Club” zu treffen. Also telefonisch ein Taxi bestellt, dass dann auch nach relativ kurzer Zeit kam. Das Taxi? Ein Fiat 128 Nachbau aus russischer Produktion. Der erste Schreck kam beim einsteigen und anschnallen. An der Stelle, an der normalerweise eine Gurtpeitsche befestigt ist – Ein ca. 30 mal 5 Zentimeter großes Loch, durch das man den Straßenbelag sehen konnte. “Wow – in der DDR ist echt vieles anders”, schoss es mir durch den Kopf! Da die passive Sicherheit nunmehr der Vergangenheit angehörte, und die Taxi-Fahrerin (während Sie ständig auf die Wessis schimpfte) todessehnsüchtig mit einem Affenzahn durch die City kurvte, dachte ich daran, dass ich mich vielleicht doch noch von meiner Freundin verabschieden sollte, verfluchte aber die Mobilfunk-Betreiber, für die scheinbar die DDR noch ein weisser Fleck auf der Landkarte war. Mit zitternden Knien stieg ich am vereinbarten Treffpunkt aus. Die ganze Taxifahrt, die durch die halbe Stadt führte, kostete grade 3 Westmark. Naja, dachte ich, wahrscheinlich hat sie sich verrechnet. – Nee.. hatte Sie nicht! Vor dem “Club” stand schon die Tochter meiner Gastfamilie. Dem “Türsteher” stellte Sie mich vor, und mit ihr konnte ich dann in den angesagten Superschuppen. Innen sah er nicht anders aus, als hier jede beliebige Eck-Kneipe. Nun ja.. das nächste “Wow” des Abends kam, als ich in dem angesagtem Laden etwas trinken wollte. Ich fragte also den Barkeeper, was er zu trinken hat. Seine Antwort: “Sag einfach was du willst!” Ich: “Bacardi-Cola..” Er: “Nöö ham wir nicht.” Ich: ”Pernod-Cola” – Kopfschütteln vom Gegenüber… So ging das eine ganze Weile! Schließlich fragte ich, weil ich langsam einen trockenen Mund hatte: “OK! Stop! WAS hast du da?” Seine Antwort: “Grüne Wiese”.. Ich: “Häää? Was soll das sein?” Er: “Sekt mit Waldmeistersirup!”

     Placeholder(grüne Wiese – Ein Longdrink für Kinder, aber nicht für einen gutausehenden, muskulösen, Messe-Techniker und Womanizer)

    Mir wurde schon bei der Vorstellung, dass ich so ein Tuckengetränk saufe, übel. Außerdem bestehen die Zutaten für ‘grüne Wiese’ aus Vodka, Blue Curacao, Sekt und Orangensaft! Aber in der DDR wurde ja häufig aus Mangel von Rohstoffen etwas “geschummelt” – Mein Blick fiel auf ein Regal an der Wand. Dort drinnen standen etliche Flaschen original russischer Vodka. Ich fragte: “Was ist damit? Vodka-Lemon?” Klar, die Antwort: “Lemon haben wir nicht!” – Ich hatte ehrlich gesagt auch nix anderes vermutet. Aber der Barkeeper hatte herrlich klebrige Ostdeutsche Orangenlimonade. Okay! Also bestellte ich 1 Flasche Wodka, und 2 Flaschen Limo. Die trank ich mit der Gastfamilientochter zusammen leer. Das nächste “Wow” kam beim zahlen! 10 Westmark musste ich bezahlen, für eine Flasche Vodka und die 2 Flaschen Sprudel.. Dafür hätte ich die Getränke nicht mal im Supermarkt im Angebot kaufen können.

    Überhaupt warf die DDR bei mir viele Fragen auf: Nicht nur, wie man es schafft, am Ende des Monats seine Pacht zu zahlen, wenn man die Getränke praktisch zum Selbstkostenpreis verschleudert – Nein, auch die Art und Weise, wie in der DDR gearbeitet wurde, schien mir nicht sehr effektiv zu sein. Das beste Beispiel, war unser Aufbau mehrerer Bosch-Stände auf der Messe. Es gab einen großen Stand, an dem knapp 10 Techniker aus Westdeutschland arbeiteten, und ich und ein Kollege sollten noch einen kleineren Stand von knapp 40 Quadratmetern in einer Neben-Halle aufbauen. Als wir kamen, war dort nichts weiter, wie blanker Hallenboden. Direkt neben uns war die DDR-eigene Firma “ROBOTRON” mit ihrem Stand in konventioneller Bauart.

     Placeholder(Der PC aus der DDR. Der, die oder das ROBOTRON. Natürlich hergestellt in einem VEB=Volkseigener Betrieb. VORWÄRTS IMMER-RÜCKWÄRTS NIMMER! FREUNDSCHAFT MA GUDSTER!)

    Die Standgröße von denen? Ungefähr 60 Quadratmeter. Als wir kamen, war der Stand bereits halb fertig. Es arbeiteten aber auch knapp 10 Leute daran. Im Laufe des Vormittags kam unser Tieflader, und lud den kompletten Stand aus. Bis Abends hatten wir den Teppich-Boden verlegt, die Standwände hochgezogen, und eine abschließbare Kabine gebaut. Am Nebenstand passierte derweil nichts. Die Kollegen des VEB-Robotron gingen gegen Mittag geschlossen zur Pause, und ließen sich erst Abends wieder blicken.

    Am nächsten Tag bauten wir den Kabinentrakt weiter, und fingen an die Deckenelemente einzubauen, und mit Lampen zu bestücken. Am Nebenstand passierte nicht viel. Ab und zu warf mal jemand eine Kreissäge an, aber da sich dann ein anderer Kollege beschwerte, dass er seine Zeitung nicht in Ruhe lesen kann, verstummte die schnell wieder. Am dritten Tag, war unser Stand fast fertig, und die Kollegen vom Nachbarstand rückten ihre Stühle in unsere Richtung, weil sie es unglaublich interessant fanden, wie schnell man scheinbar einen Messestand aufbauen kann.

    Man kam sich vor wie im Affenkäfig… Ach ja, müßig zu erwähnen, dass am Nachbarstand während der Beobachtungszeit nicht gearbeitet wurde. Die ausgedehnten stundenlangen Pausen wurden aber strikt von den VEB-lern eingehalten. Nach einer Woche Bauzeit, war unser Stand komplett fertig, und wurde vom Vertreter der Bosch AG abgenommen. Der Nebenstand der Robotron sah immer noch aus, wie am ersten Tag..

    Aber die DDR war noch für weitere “WOW”-Erlebnisse gut. Ein “Wow”, stieß ich aus, als ich Abends von der Messe kam, und am Mietshaus in dem unsere Gastfamilie wohnte das komplette Klingelbrett (ca. 50*50 Zentimeter) geklaut war. Es gab nur noch ein Loch in der Mauer, und etliche lose rumbaumelnde Klingelkabel! Denn auch das war die DDR: Alles was länger als 5 Minuten irgendwo unbeaufsichtigt rumlag, gehörte jedem, der schnell genug war, es abzuschrauben! Es war ratsam die Scheibenwischer des Autos Abends abzunehmen, und mit hoch in die Wohnung zu nehmen. Man kann sich das gar nicht vorstellen, dass es Verschleißteile, die es hier an jeder Tankstelle gab, in der DDR nicht gab. Auch wir wurden Opfer einer Ersatzteil-Beschaffungs-Maßnahme.

    Als ich nach ein paar Tagen morgens zur Messe fahren wollte, blinkte der Blinker in einem Rhythmus,, der darauf schließen ließ, dass eine Birne kaputt war. Und das sowohl beim Links- als auch beim Rechtsabbiegen. Nach abschrauben des vorderen Blinkerglases stellte ich fest: Die Birne fehlte. Und das auf beiden Seiten. Netterweise hatte man aber wenigstens das Blinkerglas nach der “Entleihung” des Leuchtmittels wieder ordnungsgemäß angeschraubt, damit es nicht reinregnet…

    Schlimmer war, dass man den westdeutschen Kollegen von uns trotz Bewachung den abgeschlossenen Messestand aufbrach, und denen daraus hochwertige Makita Akku-Schrauber und teure Kreissägen stahl. Dieses Werkzeug ließ sich natürlich in der DDR nirgendwo beschaffen. Gut dass wir im Werkzeugwagen ein paar Ersatzgeräte hatten, die wir den Kollegen leihen konnten.

    Ebenso unvorstellbar war folgender Umstand. Wir fuhren jeden Morgen die gleiche Strecke zur Messe, und kamen an einer Straße vorbei, bei der durch einen Wasserrohrbruch, das Wasser aus dem Asphalt sprudelte. Dieses Loch war schon am ersten Tag vorhanden. Auf dem Rückweg hatte man Metall-Pflöcke um das Loch eingeschlagen, Trassierband  drumgewickelt, und das war’s dann! Ende.. – Weiter passierte nix! Die ganze Aufbauzeit sprudelte fleißig das Wasser aus der Straße, ohne dass auch nur ansatzweise Anstalten unternommen wurden, den Rohrbruch zu beseitigen. Als wir nach der Messe zum Abbau kamen, war der Zustand der “Heilwasser-Quelle” unverändert. – So etwas in Deutschland-West? Undenkbar!!

     Placeholder(Zarte Pastelltöne wohin man schaut. Oder einfach nur die Farbe verdammt dünn aufgetragen? Die DDR wie ich sie gesehen habe…)

    Aber es gab noch mehr absonderliches, aber auch bedrückendes. So als unsere Gast-Familie uns mal was tolles bieten wollte, und uns extra einen Abend in ein supertolles Restaurant eingeladen hatte. Nicht nur, dass man vorher reservieren musste, und man am Abend draußen von einem befracktem “Pinguin” über eine “Liste der Erlauchten” Einlass gewährt wurde. Auch das Verhalten der Kellner war so was von arrogant und daneben. So saßen an unserem Tisch noch 2 Ostmädchen, die auch noch in ihrer Flasche Wein etwas zu trinken hatten, sowie in ihren Gläsern. Der Kellner schnauzte Sie an, “sie sollen sich gefälligst an einen anderen Tisch verziehen”. Klar! Waren ja nur Ossis! Einem Wessi gegenüber wäre er wahrscheinlich in den Arsch gekrochen. War der Service schon schlecht – das Essen war übelst! Das Gemüse war nicht frisch, sondern aus der Dose. Die Erbsen völlig schrumpelig, die Möhrchen matschig. Das Gemüse hatte einen metallenen Geschmack, als wäre es schon 20 Jahre in der Dose eingepfercht gewesen. Das Rindfleisch war zäh wie eine Schuhsohle. Es ließ sich mit den pieseligen DDR-Alumessern weder schneiden, noch ließ es sich kauen. Der dazu kredenzte Wein erinnerte an abgestandenen Zitronensaft mit Essig-Note. Es war mit einem Wort FÜRCHTERLICH! Trotzdem ließen wir uns nichts anmerken, weil wir unserer Gastfamilie nicht beleidigen wollten, die stolz waren, uns so was “tolles” bieten zu können.

    Als wir nach der Messe zum Abbau zurück kamen, sah ich auch ein typisches Beispiel eines Westdeutschen “Verarsch-die-Zonies” Tricks. Da hatte ein “Geschäftsmann” die gebrauchten Teppiche aus der Messehalle rausgerissen, und stand mit seinem Protzschlitten an der Straße, um die den Leipziger Bürgern für teures Geld zu verkaufen. Nun muss man wissen, dass Teppich, der auf Messen verbaut werden, der billigste Mist ist, den es gibt. Im EK kostet der grade mal 2 Mark pro Quadratmeter. Die halten grade mal eine Woche, weil die für Dauereinsatz nicht gemacht sind. Nach einem Monat in der Wohnung, ist dort an den stark beanspruchten Stellen kein Flor mehr. So etwas gebraucht für 20 Mark den Quadratmeter zu verkaufen.. Scheußlich! Was muss man für ein Charakter sein, um unschuldige, unwissende Menschen so über den Tisch zu ziehen?

    Das war meine Erinnerung an die DDR. Und ich muss sagen: Ich war froh nach den 3 Wochen Messe-Auf-und Abbau wieder in der BRD zu sein, und dahin gehen zu können, wohin ich will!!


    Ach, übrigens: Das ist glaube ich der längste Blogeintrag, den ich jemals geschrieben habe! Das sagt jedenfalls mein Live-Writer..

    (Für www.Hausaufgaben.de Ein Aufsatz über die DDR in 3300 Wörtern? Hier ist er!) 

    letzte Änderung: 11.11.2009 13:21 Uhr

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