..oder: Bei der Stellensuche läuft nix rund, und ein Vorstellungsgespräch dauert 9 Minuten!..
Dortmund – Liebes Tagebuch: Heute habe ich das erste Mal einen Arbeitsvermittler ausgelacht. Und das tut mir wirklich sehr, sehr leid! Meine Großeltern haben mir immer versucht beizubringen, dass man auch geistig minderbemittelten Menschen mit Achtung begegnen soll.
So ungefähr könnte ein Tagebucheintrag von mir anfangen – wenn ich ein Tagebuch führen würde.
Da aber ein Blog sowas ist, wie ein elektronisches Tagebuch, werde ich mal erzählen, was mich heute zu einem Lachanfall der besonderen Art gebracht hat. Dazu benötigt der Leser einige Hintergrund-Informationen, damit er meine Heiterkeit versteht.
Zum einen bin ich mit meinen 52 Jahren Lebensalter der Joopi Heesters unter den Arbeitnehmern, denn solange die deutschen Unternehmen die Einstellung haben, dass sich ein Arbeitnehmer mit Anstand gefälligst am Vorabend seines 40.ten Geburtsages in einer feierlichen Zeremonie selbst entleibt, damit man für ihn endlich einen 20 Jahre jüngeren einstellen kann, ist der Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer ab Baujahr 1960 sehr überschaubar – weil nicht existent. Daraus resultiert, dass ich seit mehreren Monaten ein zertifizierter HARTZ IV Empfänger bin – also, sozusagen ein Stütze-Bezieher mit Auszeichnung..
Das “Stütze-Diplom” habe ich erhalten, weil ich nach der Zeit meiner Arbeitslosigkeit, in der ich keinen geeigneten Job fand, nach der ARGE weiter gereicht wurde, und dort als erstes an einem mehrtägiges Seminar zum Thema: „Fordern und Fördern” teilnehmen musste.
Nach ‘erfolgreichem’ Abschluß – ich bin aber nicht ganz sicher, ob man überhaupt durchfallen kann – bekam ich das auch Schwarz auf Rosa..
(das “Stütze-Abitur” . Jetzt habe ich nachgewiesenermaßen ganz viele tolle, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben. Das Zertifikat gehört sicher in jede Bewerbungsmappe und sticht jeden anderen Bewerber aus!)
Ob es dienlich ist, dieses Schreiben mit zu seinen Bewerbungsunterlagen zu packen, ist meiner Meinung nach a bisserl fraglich, aber da die Unternehmen in Deutschland ja “Zertifikatsgeil” sind; Naja, ganz ehrlich, bevor man halt gar nix hat, was man in die Bewerbungstüte stopfen kann, werden sich sicher manche sagen: “Klasse! Watt mit ’nem Stempel drauf! Rein damit!”. Ich denke, man muss dann wenigstens nicht lange warten, bis die Absage kommt. Und das hat ja auch viel schönes, wenn man sich nicht lange die Nerven zermarten muss, ob man den Job des Klowachmanns auf der Autobahnraststätte bekommt…
Nun, mein Tagesablauf orientiert sich natürlich jetzt, nachdem ich diesen ganzen Sack voller neuer phantastischer Fähigkeiten habe darum, Morgens der erste zu sein, der die Morgenzeitung beim Nachbar klaut, um die Stellenanzeigen zu durchforsten. Aber da das Abo für die Tageszeitung leider nicht im Hartz IV Regelsatz vorgesehen ist, läuft das dann wohl zwangsläufig unter “erschlichener Nachbarschaftshilfe”, oder so (Juristen würden vielleicht den Begriff Diebstahl verwenden).. Also wieso kaufen, wenn man genauso gut klauen kann – Vorausgesetzt, man kommt früh genug aus dem Bett! Das könnte ja für viele ALG 2 Bezieher ein Problem sein – wenn es nach dem in den Medien präsentiertem Bild der Hartz’ers in der Öffentlichkeit geht.
Nein lieber Leser. So ist es nicht. Im Gegenteil! Wenn ich Morgens länger schlafe, dann nur, weil ich mir die ganze Nacht das Hirn zermartert habe, mit welcher Marketing-Kampagne ich ein Unternehmen gründe, denn die Arbeitsagenturen und Argen versprechen einem ja das Heil darin, wenn man den Schritt in die Selbstständigkeit wagt. Deshalb grüble ich stundenlang, ob ich ein- oder vierfarbige Flyer drucken lasse, oder gleich ein mehrseitiges Magazin, welches mein Unternehmen vorstellt, mit welchen Steuertricks ich meine Gewinne vor dem Finanzamt verschleier, wo ich den abgezocktesten Steuerberater finde, und welches Alleinstellungsmerkmal ich meinen 3 Kunden bieten kann, damit sie demnächst ihre PCs zu mir bringen, und nicht zu diesem doofen PC-Shop an der Ecke. Und wer sich Nachts mit solchen Problemen beschäftigt, der darf auch Morgens mal ein Stündchen länger liegen bleiben, oder?
Doch ich will nicht vom Thema abschweifen..
Nachdem mich der blöde Bodybuilder von gegenüber zweimal erwischt hat, als ich mit SEINER Zeitung unter dem Arm wieder den Hausflur hochschlich (was für mich den Verlust einer Krone und eines Backenzahns bedeutete, und einen mehrstündigen Aufenthalt beim Dentisten zur Folge hatte – und jetzt stellt euch mal vor: die Arge zahlt nicht mal für solche Folgeschäden! Also sowas!!), habe ich das “Unternehmen Zeitungs-Sharing” auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.
Glücklicherweise gibt es auch noch harmlosere, bzw. schmerzlosere Methoden zu einem Stellenangebot zu kommen. Im englischen bedeutet ‘Harm’ ja Schmerz – im Zweifel bin ich immer für die schmerzlosere Methode! Deshalb bekommt man ja auch bei den turnusmäßigen Terminen bei seinem Fallmanager von ihm meistens mehrere hochdotierte Stellen in die Hand gedrückt.
Also, wer jetzt glaubt, die kriegt man aus Menschenfreundlichkeit.. Tststs.. Du bist wohl noch nicht lange in diesem Land? Die bekommt man nur, weil die Arge damit rechnet, dass so ein fauler ALG2 Bezieher sich eh nicht innerhalb von 3 Tagen dort bewirbt, und dann kann man den Sozialschmarotzern mal eben schnell für ein paar Monate die Bezüge kürzen. Glück für mich: Die IT- Branche ist momentan so tot, wie der Golf von Mexico. Seit 2 Besuchen war kein Job für mich im System..
Und um das ganze mal wieder auf die WM-Sprache zu bringen, zitier ich hier mal unseren BvB-Trainer Klopp, nachdem die Schweiz in 90 Minuten mal grade 2 Torchancen hatte: “Man muss schiessen, um treffen zu können”
Aber ich schweif schon wieder ab, Manno!
Zurück zur Jobsuche für den Hartz IV-Empfänger mit Zertifikat:
Also Tageszeitung? – Au Backe, zu schmerzhaft und zu kostenintensiv weger der auflaufenden Arztkosten!
ARGE ? – Nee, Jobs haben die auch nicht.
Bleiben noch Internet Jobbörsen und private Arbeitsvermittler. Letztgenannte sind Kopfgeldjäger der besonders miesen Art. Sie bekommen nämlich von der Bundesagentur für Arbeit und der ARGE Geld dafür, dass Sie dich in einen Job vermitteln, der weder deiner Qualifikation gerecht wird, noch den üblichen in den Firmen gezahlten Gehältern.
Gestern hatte ich wieder so einen interessanten Fall.
Ich hatte mich als Einkäufer beworben, da ich diese Tätigkeit bei einem früheren Arbeitgeber in einem Projekt ausgeübt hatte. Nun weiß ich ungefähr, was ein Einkäufer verdient. Die Gehälter fangen bei 2.000,00 Euro für Berufsanfänger an, bewegen sich im Mittel bei 3.000,00 Euro, können aber auch je nach Veraantwortung bis 5.000,00 Euro und darüber gehen.
Ein paar Tage, nachdem ich meine Bewerbung abgeschickt hatte, rief mich die Arbeitsvermittlung zurück. “Ja, die Bewerbung ist ja Klasse”, meinte die Dame am anderen Ende. “Haben Sie noch Interesse? Wir würden Sie gern persönlich kennenlernen!”. Na klar, sagte ich und als Termin wurde der Freitag angesetzt. Ach Gott.. wäre ich mal lieber zu meiner Nordic Walking Gruppe der Best Ager gegangen – ich hätte mir viel Ärger erspart!
Der Name RAINBOW hatte zwar in meinem Kopf schon eine Alarmklingel bimmeln lassen – ich assoziierte RAINBOW mit GREENPEACE, MÜSLI und “PEACE BRUDER!”. Ich lag fast richtig!
Die Arbeitsvermittlung? Ein umgebauter Kiosk, ein Ladengeschäft oder sowas ähnliches. Drinnen Möbel, die aussahen, als kämen Sie nicht aus einem Second, sondern aus einem Fifth Hand Shop. Um mein Datenblatt auszufüllen, musste ich in einen Nebenraum, der vom Ambiente ähnlich war. Vom Tisch konnte man einen Blick auf die Toilette werfen, und man war froh, dass man bereits zu Hause das “Geschäft” erledigt hatte, da dieses “Örtchen” nicht zum verweilen einlud. In einem Glas auf dem Tisch steckten 2 vergammelte und angenagte Kugelschreiber mit Werbung (allerdings nicht mit Werbung der Arbeitsvermittlung, sondern von ganz anderen Firmen), sowie ein unangespitzter, ebenfalls zur Zahnpflege genutzter Bleistift.
Nachdem ich erst mit dem einen, dann mit dem anderen Kugelschreiber (die Mine bei dem ersten war leer), das Formular ausgefüllt hatte, wurde ich umgehend zu einem “Arbeitsvermittler” geführt, der mein Sohn hätte sein können – wenn ich es mit Frauen mit Migrationshintergrund treiben würde..
Das Gespräch selber dauerte eigentlich dann nur sehr kurz, denn auf die Frage des Gehalts – bei der ich im Formular 2.000,00 Euro eingetragen hatte – wiegte der nette Herr den Kopf, und meinte, soviel wäre der Kunde nicht bereit zu zahlen. Auf meine Gegenfrage, WIEVIEL denn der Kunde zahlen würde (ich rechnete so mit mindestens 1.800,00 Euro als Einstiegsgehalt – es gibt nach Infos aus dem Netz aber in Dortmund keinen Einkäufer der WENIGER als 2.000, 00 Euro verdient), antwortete der Herr Arbeits-Vermittler: “1400,00 Euro Brutto”. Hmm, ich rief mir die Stellenanzeige noch mal vor’s geistige Auge – “in der Stellenausschreibung stand gar nichts von einer Halbtagstätigkeit”, meinte ich dann. “Nein, nein. Das ist ein Vollzeitjob!” entgegnete mein Gegenüber.
“Hahahaha”.. ich musste herzhaft und laut lachen!
Er fühlte sich, glaub ich auch etwas pikiert, weil ich ihn quasi auslachte. Ich gab ihm den gutgemeinten Rat, mich wieder zu kontaktieren, wenn der Kunde sich mal mit den handelsüblichen Gehältern angefreundet hat, und nicht versucht Dummenfang und Lohndumping zu betreiben.
Also lieber Leser: Du siehst, selbst so ein tolles Zertifikat garantiert dir nicht automatisch einen tollen, gutbezahlten Job. Von privaten Arbeitsvermittler schon gar nicht!
letzte Änderung: 28.06.2010 00:11 Uhr